Jörg Mehrwald - Feinironische Kopfgeburten

Jörg Mehrwald im Interview
Sicher kein „Bull“shit – Jörg Mehrwalds feinironische Kopfgeburten

Er ist der Mann hinter der Bühne, der Texte-Schreiber für die „Rampensäue“, die graue Eminenz mit vielen grauen Zellen, die er tatsächlich auch benutzt. Zu unsrer allergrößten Freude! Gelacht haben wir in diesem Jahr alleine schon über die gelegentlichen Vorveröffentlichungen seiner Satire „BULL“, der einzig echten über Deutschlands und Europas größte Boulevardzeitung, die nun auch als Roman erschienen ist, überall im Buchhandel erhältlich. Große Freude hat mir persönlich, als eingefleischter Billy-Wilder-Fan, das von ihm organisierte und protegierte Billy-Wilder-Comedy-Festival auf Hiddensee in diesem Jahr, gemacht. Doch der Mann mit der spitzen Feder ist natürlich nicht erst seit gestern dabei: wohnhaft in der Nähe von Karlsruhe, arbeitete der studierte BWLer als Redakteur und Journalist für Radio, TV und PR, wurde Gag-Autor bei Rudi Carrells "7 Tage, 7 Köpfe", schrieb Sitcoms für ProSieben und arbeitete als Redakteur für Günther Jauch und Thomas Gottschalk. Seine literarische Satire "Hyperlach" erschien als Hörbuch, als „Deutschlands härtester Bild-Kritiker“ kommentierte er auf Video das Zeitgeschehen und für den HR und den SWR schrieb er Hörspiele. Bislang veröffentlichte er zwölf Romane, darunter als Co-Autor den ersten Krimi von Sky Dumont „Prinz und Paparazzi“ und mit Dieter Wedel den Roman zu "Gier", die beide von ZDF und ARD verfilmt wurden. In letzter Zeit verfilmte er als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent mehrere seiner Stücke als Independent-Produktionen selbst, drehte den ersten Videochat-Biographie-Talk mit der SPIEGEL-Legende Matthias Matussek und begann einen Komödien-Roman über ein bislang unentdecktes deutsches Kapitel zu Billy Wilders „Some like it hot“.

Und war er bereit, auch mir, zwischen neuen aufregenden Projekten, ein paar Fragen zu beantworten:

F: Hiddensee – verbindet man eher mit Gerhard Hauptmann und Thomas Mann denn mit Billy Wilder. Wie kam denn dieses Projekt, eine ganz wunderbare Idee, an die Ostsee?


A: Billy Wilder hat den Spruch von der „fashionable Badeinsel“ geprägt. Ich war ein Vierteljahr auf Hiddensee und habe dort u.a. mit einem renommierten Historiker gesprochen, um meine bereits vorhandenen Recherchen zu vervollständigen. Die Künstler-Bohème
 feierte dort bis 1933 unglaublich interessante Sommer, die Gästelisten lesen sich wie eine Literatur- und Filmbesetzungsliste der damaligen Zeit. Dann stieß ich auf einen relativ unbekannten Autoren, der später mit Wilder zusammen arbeitete. Naja, ich begann meinen Roman und musste ja irgendwie Geld verdienen. Also managte ich das Zeltkino – eine hoch kulturelle Angelegenheit dort – und veranstaltete eine Billy-Wilder-Komödien-Retrospektive. Da bot es sich an, gleich noch ein Festival dran zu hängen, um junge Filmfreaks für die Komödie zu begeistern. Das klingt jetzt alles so einfach, war es natürlich überhaupt nicht. Viel guter Wille, tolle Leute und Mut zum Risiko. Am Ende stand aber wieder die gleiche Erkenntnis: Komödie ist die schwerste Disziplin!


F.: Du bist ständig unterwegs, hat das Auswirkungen auf dein schöpferisches Potential?

A.:Nein. Ich brauche nur noch selten Ruhe, bei wird es wohl jetzt bis zum Schluss durchlaufen. Ich hoffe es jedenfalls. Meine Frau nervt es ein wenig und ohne eine starke Frau ist es sehr schwierig auf Dauer durchzuhalten. Ich hoffe es jedenfalls. Eine gewisse Achtsamkeit muss man haben und eine fast unnatürliche Disziplin. Außerdem finden viele Genüsse für mich nicht mehr statt. Die Folgeerscheinungen machen mir mehr Stress als das Feiern Freude. Wenn es mal vorbei sein sollte, möge es schnell gehen, bis dahin suche ich beständig nach dem Gag.



F.: Mein sechzehnjähriger Sohn ist ein großer Fan von Harald Schmidt, muss ich mir Sorgen machen?

A.: Nein. Harald Schmidt ist ein Phänomen. Ich finde ihn einzigartig. Eine Legende. Ich habe mal begonnen für ihn zu schreiben, dann hat mich aber zeitgleich Rudi Carrell angeheuert für „7 Tage, 7 Köpfe“. Bei Schmidt erliegt man schnell der Vorstellung, man müsse etwas wirklich Gelungenes schreiben. Was Blödsinn ist, mit ein wenig Erfahrung erkennt man, dass er etwas höchst Triviales immer vorziehen wird. Er ist der Kontext, er ist derjenige, der den Gag setzt. Und er ist ein hemmungsloser Pointenkiller. Ein Gag-Anarchist. Er versemmelt Gags, schießt Gäste ab und ist zu oft undiszipliniert. Er darf das, weil er einzigartig ist. Ich höre ihn am liebsten mit Olli Dietrich oder echten Kabarettisten, da muss er auf Augenhöhe agieren und ist schlicht genial. Ich selbst würde mich da niemals in eine Ahnenreihe stellen, das ist alles etwas anderes.



F.: Wie entwickelst du deine Texte für die zum Teil doch sehr unterschiedlichen Auftraggeber und Formate, was stimuliert deine Vielseitigkeit?

A.: Die Not. Hahaha, so ist es. Ja, die Not. Ich habe leider nie aus einer ruhigen Überlegung heraus schreiben können. Alles war Existenznot. Mein Leben war leider nie romantisch. Da ich mich nie konsequent einer "Kultur-Mafia" angeschlossen habe, kam es wohl so. Leider steht mein Leben unter dem Zeichen des Begriffs "Freiheit". Und das lebe ich sehr unspektakulär. Ich habe in meinem Leben nie einen Job wirklich geschmissen oder absichtlich nicht erfüllt. Manchmal wäre mir ein Charakter wie der eines Klaus Kinski besser bekommen. Zuverlässigkeit zahlt sich leider nicht aus, das ist bitter, aber wahr. Meine Vielseitigkeit ist trotzdem ein Quell meines Lebens. Ich liebe sie und sie speist sich aus vielen unaussprechlichen Dingen, die unser Leben bestimmen.

F.: Wie siehst du die deutsche Comedy, gibt es überhaupt auch noch Platz für nicht-politische Satire?

A.: Immer. Ich sehe die deutsche Comedy sehr positiv. Ich schreibe gerade an einem Stoff, der Anfang der 70er spielt. Insterburg, Otto, Loriot und Heinz Erhardt, dann wurde es dünn. Heute haben wir ein übervolles Angebot. Es gibt alles und vieles ist verdammt gut. Es gibt immerhin so viel, dass bestimmte Comedians angegriffen werden, weil sie dem einfachen Volke zu realistisch folgen. Wahnsinn. Aber schön, dass die angegriffenen Künstler verdammt reich werden mit ihren Programmen, das gleicht den Neid aus.
Ich selbst füge mit einem Partner, Wolfram von Stauffenberg, neue Facetten 2013 hinzu. Auch hier holt mich die Vielseitigkeit ein. Wir werden etwas sehr Politisches machen und etwas gar nicht Politisches. Ich habe gerade für zwei Schauspielerinnen ein Comedy-Duo-Bühnenprogramm entwickelt, das wunderbare Wortspielereien und Frauengags beinhaltet – das Problem: Viel zu intelligent. Ich würde es gern „runter“ schreiben. Massen kompatibel machen. Die jungen Frauen sollen es mal besser haben als ich, wenn sie ihre Kontoauszüge abholen.!

F.: Wäre wieder etwas anderes als Satiriker generell für dich möglich, also „gewöhnlicher“ Romanautor z.B.?

A.: Ja, kommt drauf an. Ich habe ja neben Ghostwriting und Soap, auch Krimi geschrieben. Wenn es nach meinem Herzen geht, klares NEIN. Satire und Humor, sollten es sein. Leider fürs Konto: fast alles. Da quäle ich mich durch.



F.: Entwickelst du deine Ideen als Regisseur zu erst auf dem Papier und dann auf dem Set, oder vielleicht beides und was inspiriert dich dazu?


A.: Beides. Manches auf dem Laptop, manches als Notiz. Der Moment. Es gibt kein Rezept. Techniken kommen erst später. Alle Ratgeber lügen, wenn sie alles als „lernbar“ vermitteln.

F.: Wie wichtig ist in deinem Job eine gute Beobachtungsgabe?

A.: Naja, pflichtgemäß schreibe ich jetzt: besonders wichtig. Die Wahrheit ist, wenn man jung ist schon, aber je mehr Erfahrung, desto unwichtiger. Ich habe schon Szenen komplett erfunden und sie danach in der Realität beobachtet. 



F.: Was bedeuten dir Stille und Musik?

A.: Stille hat eine Dimension, die man hier nicht erläutern kann. Muss man aushalten wollen. Ich werde dazu nichts weiter schreiben. Alle Definition würde es nicht annähernd treffen. Musik ist Leben. Und hier schreibe ich noch weniger, denn es würde ein Buch. Ich wäre wohl Musiker geworden, wenn nicht das Wort statt die Note von mir Besitz ergriffen hätte. Der Kompromiss sind Songtexte.



F: Würdest du gerne einmal selbst als Comedian vor der Kamera stehen?

A.. Passiert bereits.



F.: Ab wann und wie kristallisierte sich dein Interesse an der Satire heraus?

A.: Sehr früh in der Kindheit. „Some like it hot“ und einige TV-Serien waren der Beginn. Mich hat Billy Wilders Humor geprägt. Ich liebte schon als Kind, die Raffinesse des Ausdrucks. Es war die wichtigste Notwehr gegen den Unfug und die Brutalität des Lebens.



F.: Bist du glücklich damit?

A.: Ja. Wenn ich auch zugebe, ich bin nicht mehr so gern der Beleidiger, ich würde einen konstruktiven, leisen Humor sehr lieben, der die Herzen der Menschen erreicht. Aber dafür gibt es nicht das Massenpublikum. Einzige Ausnahme Hirschhausen, er ist auf dem Weg dahin gewesen oder wieder. Etwas Positives auszustrahlen, ist durch nichts zu ersetzen. Natürlich wird man mit der Haltung von keinem echten Mann akzeptiert und viele Frauen wollen so was Weicheiiges auch nicht. Trotzdem, jeder, der dem Tode gegenüberstand, weiß, wie wichtig das eines Tages oder Nachts als Erlebnis ist. Dann zählt nichts mehr auf dieser Welt außer das Gefühl des Herzens. Aber, das muss jetzt nicht sein. Andererseits bin ich natürlich auch ein überzeugter Zwangskalauer. Das muss so sein. 



F: Verrätst du uns deine Pläne für die nächste Zeit, nächste Produktionen?

A.: Nach meinem Kindertheaterstück in Cottbus, wo ich das erste Mal als Puppenspieler auf der Bühne war, kommt jetzt die Tour „Rotling – DDR 2013“. Ein Bühnenprogramm mit Wolfram von Stauffenberg, in der der erste DDR-Bürger nach dem Mauerzwischenfall 1989 im Westen ein Interview geben darf und über die DDR des Jahres 2013 berichtet. Wir spielen das als Comedy oder Theaterstück und es gibt eine spezielle Version für Schulen, in der die Kids mal vergleichen können, wie ihr Leben in einer DDR-Diktatur 2013 aussehen würde. Kurz danach soll „Schlagzeilen des Teufels – der Boulevard-Faust“ Premiere haben. Etwas völlig Neues nach Goethes Grundidee über einen Redakteur eines Yellow-Press-Blattes der einen Pakt mit Mephisto schließt, um Karriere zu machen. Beide Stücke sind sehr tempo- und gagreich. Gerade entsteht ein Komödien-Roman über ein bislang unbekanntes Kapitel zur Entstehung von „Some like it hot“. Ob ich dazu komme, meine Billy-Wilder-Revue auf Hiddensee im Sommer aufzuführen, weiß ich noch nicht. Ich plane es, genauso wie eine Doku über einen Filmproduzenten, einen der wenigen Deutschen, die weltweit und international drehen. Und dann ein Bühnenprogramm, das ich am liebsten sofort spielen würde, aber der Reihe nach. Ja, und dann gibts noch vier Projekte, zu denen ich noch nichts sage. Aber die kommen werden. Die Zeit wird den Vorhaben die natürlichen Grenzen setzen. In diesen Moment lache ich über mich selbst. Wenn es Gott gut mit den Gags meint, gibt er mir noch ein paar Jahre. 



Lieber Jörg, vielen Dank für die Zeit, die du dir genommen hast und weiterhin viel Kreativität und Erfolg!

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Text: Viola Eigenbrodt
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