Geburten in Schnee und Eis

Überraschungen aus der Welt der Tiere
Geburten in Schnee und Eis

Der polare Winter ist lebensfeindlich. Meterhohe Schneemassen und frostige Winde verwandeln die Region um den Nordpol in eine tödliche Eiswüste. Weit und Breit existiert keine Spur von Leben. Doch viereinhalb Meter unter dem Schnee-Gestöber kuscheln sich zwei neugeborene Eisbären-Babys in das Fell ihrer Mutter. Sie sind im Dezember blind, taub und fast nackt zur Welt gekommen. Ihr Gewicht beträgt gerade mal 600 Gramm. Ohne Mutters Wärme könnten sie hier keinen Tag überleben.

Wochen zuvor grub die Bärin mit ihren scharfen Krallen einen vier Meter tiefen Stollen mit Schlafhöhle in die Eismassen. Komplett eingeschneit harren dort Mama Eisbär und ihre Jungen bis zum Frühling aus. Dann dürfen die Jungen zum ersten Mal durch den Schnee tollen. Vorher verzehnfachen sie Ihr Gewicht durch die nahrhafte Milch der Bärin. Sie selber muss unterdessen fasten. Eine beeindruckende Leistung!

Auch Braunbären kommen mitten im Winter zur Welt. Ein ausgeklügelter Hormon-Mechanismus sorgt jedoch dafür, dass nur dann Junge geboren werden, wenn sich die Bärin zuvor genügend Fettreserven angefressen hat. So ist immer sichergestellt, das ausreichend Muttermilch für die Teddys vorhanden ist. Die 400 Gramm leichten Winzlinge müssen innerhalb von nur vier Monaten mindestens fünf Kilo zulegen. Denn nur wer fit und vital ist hat im Sommer eine Überlebenschance.

Hier zeigen sich die Vorteile einer Winter-Geburt. Im Sommer gibt es zwar mehr Nahrung und ein freundlicheres Klima, aber auch mehr Feinde. Die hilflosen Mini-Bärchen wären eine leichte Beute für Marder, Füchse oder Greifvögel. Im Alter von vier Monaten sind sie jedoch flink genug, um sich vor Feinden in Sicherheit zu bringen, wenn die Bärin gerade nicht in der Nähe ist. Auch andere Tiere nehmen deshalb das Wagnis einer Winter-Geburt auf sich. Vielen Vögeln macht es mehr Schwierigkeiten, die Jungen vor der sommerlichen Hitze als vor der Kälte zu schützen. Fichten-Kreuzschnabel brüten bereits im Januar, wenn die neuen Tannen-Zapfen ausgereift sind. Auch der Waldkauz und die Schleiereule bekommen im Winter Nachwuchs. Auf diese Weise sind ihre Jungen schon ausgewachsen, wenn die ersten Zugvogel heimkehren. Manchmal erfordert dieser Vorteil einen hohen Tribut. Das Männchen der Schleiereule muss bis zu sieben hungrige Mäuler stopfen, während das Weibchen die kleinen Nesthocker warm hält. 10-15 Mäuse muss Vater Eule pro Nacht anschleppen.

Besonders geeignet sind alte Scheunen, in denen die Mäuse nicht unter einer Schneedecke verschwinden können. In schneereichen Wintern kommt es trotzdem vor, dass die Jungen und manchmal auch die Alttiere verhungern. Das ist das Risiko einer Winter-Geburt. Wenn die Kleinen durchkommen haben sie dafür eine Pool-Position, was die Suche nach Brutplätzen und optimalen Jagdgebieten angeht.

Die Frischlinge von Familie Wildschwein kommen im März oder Anfang April zur Welt. Wenn Sie Glück haben, kündigt sich bereits der Frühling an. Doch oft gibt es Schneefall und frostige Nächte. Und auch die ersten Triebe lassen noch eine Weile auf sich Warten. Die quirligen Schweinchen - bis zu 13 an der Zahl - liegen kreuz und quer übereinander und wärmen sich gegenseitig. Ein echter "Sauhaufen" eben. Die Kälte macht ihnen wenig aus. Hauptsache Mama hat genügend Muttermilch! Dafür benötigt die Bache den richtigen Riecher. Dank ihres perfekten Geruch-Sinnes kann sie Wurzeln und Knollen tief unter der Erde aufspüren.

In den nördlichen Polarmeeren sind eher ein isolierender Pelz oder eine dicke Fettschicht von Nöten. Eisfüchse bekommen ihre Kinder zwar im Sommer, doch auch dann steigt die Temperatur nur selten über den Gefrierpunkt. Also kommen ihre Jungen mit dichtem Fell zur Welt. Ähnlich ist es bei den See-Ottern, deren einziges Junges auf nackten Fels oder im Schnee geboren wird. Das Junge ist bei seiner Geburt weit entwickelt: Die Augen sind geöffnet, alle Milchzähne vorhanden und der Körper wird von einem dichten Pelz bedeckt. Gleich nach der Geburt nimmt es die Alte mit ins eiskalte Wasser, obwohl es noch gar nicht schwimmen kann. Sie umklammert es sorgsam mit ihren Vorderpfoten. Schon nach wenigen Stunden unternimmt das Junge erste Schwimmversuche, so dass sich die Mutter bald auf Nahrungssuche begeben kann. Auch die Robben kommen mit einem wolligen Säuglingspelz zur Welt. Die Milch der Mutter ist jedoch so fettreich, dass aus den kleinen Heulern schnell proppe Dickerchen werden. Nach nur vier Wochen verlieren sie ihr Babykleid. Jetzt schützt sie eine dicke Fettschicht vor der Kälte, so dass kein Schutzkleid mehr von Nöten ist.

Copyright: Michael Krabs
Fotos: Zoonar

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