Wiederentdeckung alter Kulturpflanzen

Wiederentdeckung alter Kulturpflanzen

von Andreas Scholz

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurde rund um Schwäbisch Hall vielerorts noch Lein angebaut, anschließend wurde es um ihn ruhig. Landwirt Karl Schieber aus Bibersfeld besinnt sich inzwischen wieder auf traditionelle Kulturpflanzen wie Lein und Mohn.

Wie so oft in den vergangenen Wochen zieht es Karl Schieber schon am frühen Morgen auf eine bestimmte Ackerfläche: er fährt an die Bibers nahe der Ortsmitte von Bibersfeld, um nach der Blüte des Leins zu sehen. Auf zirka einem Hektar hat der Landwirt hier nahe des Flüsschens zwischen März und April den Lein ausgesät. „Wir haben eine Fläche mit Sommerlein angelegt. Jetzt im Juni zeigen sich die ersten Blüten“, erklärt er. „Der Lein ist relativ anspruchslos, das macht den Anbau leichter“.

Während sich Bienen und Hummeln eifrig an den Blüten tummeln, wird Karl Schieber auf der Ackerfläche erst ab Mitte August richtig aktiv sein. „Erst dann sind die Samen der Leinpflanze reif“. Wenn es soweit ist, wird Karl Schieber mit dem Mähdrescher sanft durch den Acker fahren, um die Erntezeit einzuläuten.

Aus den Samen presst die Landwirtschaftsfamilie aus Bibersfeld dann Leinöl, das reich an Vitaminen und Fettsäuren ist. „Wir haben zum Glück jemanden gefunden, der leidenschaftlich bei der Kaltpressung des Leinöls bei der Sache ist“, verrät der Landwirt. Neben Leinöl versucht er, auch Bäckereien in der Umgebung für Leinsamen zu gewinnen. „Die ersten Kontakte und Kunden sind da. Leinsamen passen übrigens auch gut zum Müsli“.

Nachdem er sich ein Bild gemacht hat, dass die Blütezeit des Leins in den Startlöchern steht, schwingt sich Karl Schieber wieder auf seinen Trecker, um eine Kehrtwende zu machen. Sein nächstes Ziel: eine Ackerfläche zwischen Bibersfeld und Hohenholz. Hier hat der Landwirt seine jüngste Idee verwirklicht: den Anbau einer speziellen Mohnsorte. Auf zirka einem Hektar leuchten jetzt im Juni die violetten Mohnblühten.

Nicht nur Karl Schieber und seine Famile freuen sich über das üppige Blütenmeer.

Immer wieder stoppen Radfahrer und Fußgänger, wenn sie den lila Streifen auf den sonst eher grünlichen Feldern entdecken. „Zu uns auf den Bauernhof kommen regelmäßig Schulklassen von der Grundschule Bibersfeld und jetzt während der Blütezeit sind die Kinderaugen noch größer“, wirft Carolin Schieber ein.

Die junge Frau, die vor einem Jahr ihr Landwirtschaftsstudium an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf erfolgreich abgeschlossen hat, hält ihrem Vater so gut es geht, den Rücken frei. „Ich kümmere mich hauptsächlich um unsere mobilen Hühnerställe und die Vermarktung der Hühnereier. Der Lein und der Mohn, das sind quasi die Babies vom Papa“, sagt sie augenzwinkernd.

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Auch durch den Anbau von Mohn verspricht sich Karl Schieber in den nächsten Jahren nach dem Prinzip „Produkte für die Region durch regionale Erzeugung“ eine weitere Einnahmequelle für sich und seine Familie: der Verkauf von Mohnsamen und Mohnöl in Kombination mit Leinöl im eigenen Hofläde läuft an und eine vielversprechende Kooperation mit der LBV Schrozberg hat sich ebenfalls bereits angebahnt. „In Österreich erfährt der Mohn seit Jahren wieder eine Renaissance, die sind da weiter als wir in Deutschland. Auch in den neuen Bundesländern hat der Mohnanbau eine lange Tradition, da müssen sie nur mal eine Mohnschnecke auf Rügen probieren“.

Bürokratieaufwand
Karl Schieber war bereit, die bürokratischen Hürden und Pflichten auf sich zu nehmen, die der kommerzielle Anbau von Mohn in Deutschland mit sich bringt. So musst er beispielsweise den Kontakt zur Bundesopiumstelle (BOS) suchen. Der Hintergrund: aus dem getrockneten Milchsaft unreifer Samenkapseln lässt sich bei entsprechendem Wissen auch Opium gewinnen. In Deutschland fällt Opium unter das Betäubungsmittelgesetz. Aber eigentlich könne es sich jeder sparen, die Samenkapseln bei Bibersfeld anzuzapfen, meint Karl Schieber. Denn: der Mohn, den die Schiebers kultivieren, sei arm an Morphin. „Unser Mohn enthält nicht genug Morphin, um daraus Opium zu gewinnen“, betont Karl Schieber.

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Text: Andreas Scholz
Fotos: Andreas Scholz