Die Gesichter der Bäume

Die Gesichter der Bäume

Grüne Riesen und alte Patriarchen

„Gesichter sind die Lesebücher des Lebens“. Dieses Zitat von Federico Fellini könnte man auch auf alte Bäume anwenden. Wer schon einmal den Stamm eines uralten Baumriesen näher betrachtet hat, dem fällt es sicherlich nicht schwer, Vergleiche mit dem faltenreichen Gesicht eines alten Menschen zu ziehen. An beiden kann man die Spuren ablesen, die das Leben hinterlassen hat.

Nur noch selten findet man sie, die grünen Riesen, die zernarbten Märchenhelden, die bemoosten Baumrecken, mit ihren knorrigen, verwachsenen Stämmen. Wenn man vor einem solchen Baum staunend steht, überkommt einen Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung.

Werner Mittermeier schreibt in seinem Buch „Bäume unsere Freunde“: „Nur ein Künstler ist imstande, hunderte von Baumgestalten zu modellieren, die alle in der Form der Stämme, Äste, Kronen, Blätter und Blüten verschieden sind. Dabei ist jede dieser Kreationen von erlesener Schönheit, ja ein Kunstwerk.“

Gar manches Mal glaubt man, auf den ersten Blick in der Rinde ein menschenähnliches Gesicht zu erkennen. Das hat mit der Veränderung der „Baumhaut“ zu tun. Die Buche besitzt bis ins hohe Alter eine dünne, glatte und manchmal silbergraue Rinde. Ganz anders zeigt sich die Eiche; nachdem ihre Rinde in der Jugend auch glatt ist, verwandelt sie sich zunehmend in eine längsrissige Borke. Ihr Stamm wird zunehmend knorriger. Auch die Kiefer bekommt im Alter eine grau- bis rotbraune Borke. So hat jede Baumart ihren eigenen Charakter. Die verschiedenen Baumarten lassen sich an ihrer Rinde oder Borke schön unterscheiden.

Und plötzlich ist es wie bei den Menschen: Wenn man erst einmal ihren Namen weiß, hat jeder Baum seine eigene Persönlichkeit.

© Text und Fotos: Walter J. Pilsak

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