Erinnerungen an die Weihnachtszeit

Erinnerungen an die Weihnachtszeit,
Damals waren das Internet und Computerspiele noch nicht bekannt

Eine Kerze brennt

Es war am Abend des ersten Adventssonntags. Wir saßen gemütlich in der warmen Stube um den Tisch herum, auf der der Adventskranz stand. Mein kleiner Bruder saß auf dem Schoss der Mutter, mein älterer Bruder neben ihnen und ich bei meinem Vater. Die brennende Kerze warf einen hellen Schein auf unsere Gesichter und im Zimmer war es dunkel. Wir sangen Adventslieder wie „O Heiland, reiß den Himmel auf“ und „Wachet auf, ruft uns die Stimme“.

Dann las meine Mutter aus der Heiligen Schrift vor und anschließend erzählte sie aus ihrer Kindheit. Wir saßen unbeweglich da und lauschten ihrer Stimme, die so schön erzählte, dass ich meinte, es selbst mitzuerleben. Ihr hörte ich gerne zu, wenn sie aus ihrer Kindheit und Jugendzeit erzählte, der Zeit vor dem letzten Weltkrieg. Da war vieles anders und sie mussten sich sehr einschränken. Trotzdem war es für sie eine schöne Erinnerung.

Die Augen meiner Mutter glänzten. Ihr Gesicht nahm kindliche Zuge an. Doch plötzlich waren ihre Blicke sehnsüchtig auf einen unbestimmten Punkt im Zimmer gerichtet. Über Ihre Wangen liefen ein paar Tränen und die Stimme verstummte. Die Gesichtszüge meines Vaters waren ernst. Als mein kleiner Bruder sah, dass der Mutter Tränen über die Wangen liefen, wollte er sie trösten und fragte, wo es weh täte.

Jäh wurde sie aus ihren Gedanken gerissen und sie schaute meinen Bruder erstaunt an. Doch dann schien zu begreifen. Sie nahm ihn und drückte ihn an sich. Dieser blickte sie verständnislos an, war aber froh, dass wieder ein Lächeln auf ihrem Gesicht war.

Das schönste im Advent war für mich immer, dass wir an den langen Abenden gemütlich beisammensaßen und die Eltern aus ihren Kindertagen erzählten. Es kam mit dann immer so vor, als ob sie gern noch einmal klein sein würden, so wie wir. Und in diesen Stunden wünschte ich mir oft, so klein zu bleiben- in der Geborgenheit der Eltern.

Spuren im Schnee

Schon geraume Zeit stehe ich am Fenster und starre hinaus. Dächer und Zäune biegen sich fast unter der Last des Schnees. Die Straße ist nicht sehr belebt. Kein Wunder bei dem Wetter. Es stürmt und schneit schon den ganzen Vormittag. Da bleiben die Menschen zuhause.

Plötzlich verspüre ich Lust, draußen spazieren zugehen. Geschwind ziehe ich die langen Hosen, das Anorak und die Stiefel an. Dann geht es hinaus in das Schneegestöber. Sogleich bin ich von vielen tanzenden Schneeflocken umgeben. Sie fallen auf meine Jacke und schmelzen dahin. Endlich habe ich das Haus meiner Freundin erreicht. Diese ist sofort mit meinem Plan einverstanden und kleidet sich warm an. Dann ziehen wir los. Unser Ziel ist eine nahe dem Dorf abseits gelegene Kapelle. Wir sind die Einzigen weit und breit auf der freien Flur. Sonst ist kein Mensch bei dem Schneewetter unterwegs.

Vor dem Haus meiner Tante machen wir halt und werfen einen Schnellball ans Fenster. Gleich darauf wird es von ihr geöffnet. Wir laden sie ein mit uns zur Kapelle zugehen. Doch sie zieht es vor, daheim in der gemütlichen Stube zu bleiben. Wir haben nichts anderes erwartet und ziehen ohne sie von dannen.

Der Gehweg ist nicht gebahnt. Aber das macht nichts. Wir sind voll und ganz damit beschäftigt, eine möglichst breite Spur zu hinterlassen. Als meine Freundin zurückblickt, stellt sie fest: „Man könnte meinen, eine Herde Elefanten sei durch den Ort gezogen.“ Wir waren mit dem Ergebnis unserer Arbeit zufrieden und zogen weiter dorfauswärts zur Kapelle.

Doch mit der Zeit wird die Sache für uns langweilig und wir fangen an, uns gegenseitig in den Schnee zu werfen. Hier draußen sieht es ja niemand. Plumps – da liege ich im Schnee und meine Freundin lacht. Zum Glück tut’s nicht weh. Der Schnee ist weich, auf den ich falle. Ich raffe mich auf und gebe meiner Freundin einen Schubs. Verdutzt schaut sie mich aus dem Straßengraben an. Damit hat sie nicht gerechnet. Uiiiih! Ihre Miene ist nicht besonders freundlich. Da mach ich mich lieber aus dem Staub. Im Wegrennen rufe ich ihr noch zu: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten!“

Ohne mich umzusehen stürze ich vorwärts. Plötzlich zischt ein Schneeball an mir vorbei. Blitzschnell weiche ich zur Seite aus. Schon wieder ein Schneeball, aber er trifft mich nicht. Gewandt bücke ich mich und forme auch einen. Jetzt ist die schönste Schneeballschlacht zwischen uns beiden im Gange.

Wir merken gar nicht, wie die Zeit vergeht. Langsam bricht die Dämmerung herein. Voller Schrecken stellen wir fest, dass es schon bald dunkel wird. „Wir müssen und beeilen, wenn wir noch bei Tageslicht zu Hause ankommen wollen“, meint meine Freundin.

Um den Weg abzukürzen, gehen wir über die Wiesen. Dabei müssen wir ein Bächlein überqueren. Es ist zugefroren. Neugierig probiere ich, ob das Eis mich trägt. Krrr- schon stehe ich im Wasser. Verstört schaue ich meine Freundin an. Diese bricht in ein Lachen aus und hilft mir aus dem Wasser heraus. Als wir unser Dorf erreichen, brennen schon die Straßenlaternen. „Da seid ihr ja endlich! Ich habe schon Angst gehabt, dass ihr im hohen Schnee stecken geblieben seid“, werden wir daheim von meiner Mutter empfangen.

Gerne denke ich an diesen Nachmittag zurück. Ich bin mir sicher, dass es bei meiner Tante in der warmen Stube nicht schöner war.


Text: Gerda Hutt
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