Winfried Wisniewski - Mein blaues Wunder

16. Dezember 1994, Weddell-See im Südpolarmeer. Der Eisbrecher "Kapitan Dranitsyn" ist auf dem Rückweg von den Pinguinkolonien der antarktischen Atka-Bay in Richtung Südamerika. Mit am Bord mehrere Fotografen, darunter auch Winfried Wisniewski aus Waltrop. Die Reise zum Südpol war für den bekannten Naturfotografen ein voller Erfolg. Er hat Kaiserpinguine mit Jungen, Weddell-Robben und Eismöwen und Albatrosse vor herrlichen Kulissen abgelichtet und genießt den Ausblick über die erstaunlich ruhige Polarsee.

Es ist 13 Uhr auf 55°37`südlicher Breite, als der Eisbrecher zwischen Südgeorgien und den Sandwich-Inseln auf einen blauen Eisberg trifft wie es ihn wohl nur alle Hundert Jahre gibt. Der Kapitän beschließt den Eisberg zu umrunden. Natürlich im gebührenden Abstand. Nah heranfahren war unmöglich, da sich Eisberge bekanntlich unter dem Wasser ausdehnen. Doch auch aus der Ferne bot der 400 Meter breite und rund 100 Meter hohe Koloss einen erhabenen Anblick.

Winfried Wisniewski hat auf seinen Expeditionen Richtung Nord- und Südpol schon viele Eisberge gesehen - doch so perfekt in Form und Farbe wie dieser war keiner! Die Brandung hat bizarre Strukturen ins Eis gezaubert, gläsern durchscheinende Zinnen, schroffe Grate und sanfte Rundungen von zauberhafter Ausstrahlung. Und immer wieder Blau - in allen Abstufungen. Als Tüpfelchen auf dem i trägt er eine kleine Gruppe von Kehlstreifenpinguinen, die ihn als Floß benutzen. Unglaublich!

Winfried Wisnieswski steht an der Bugspitze und fotografiert sich geradezu besoffen an dieser unwirklich anmutenden Erscheinung. Der Filmverbrauch steigt ins Unermessliche. Eine Kollegin leiht sich schnell noch einen Film von ihm, dann nimmt der Eisbrecher wieder Fahrt auf. Winfried Wisniewski ahnt, dass er gerade Fotos geschossen hat, die man nur einmal im Leben machen kann.

Blaue Eisberge sind sehr selten. Der „Blauanteil“ ist enthaltenes, gepresstes Wasser. Je mehr Wasser im Eis gespeichert ist, desto blauer leuchtet es. Es scheint, als hätte sich dieser Eisberg erst vor kurzem „gedreht“. Das kann passiert, wenn der untere Teil abbricht und der ganze Berg „Schlagseite“ bekommt. Doch bei so einem großen Eisberg ist das nur schwer vorstellbar. So bleibt der riesige blaue Eisberg bis heute ein rätselhaftes Phänomen.

Weniger Rätselhaft war das Auftauchen der Kehlstreifenpinguine. Die kleinen Pinguine überwintern mitten im Meer, meist auf Eisbergen wo sie sich sicher fühlen. Im Wasser lauern viele Gefahren: Hungrige See-Leoparden und gefrässige Orcas. Trotzdem müssen die Pinguine irgendwann abtauchen, um Fische zu fangen. Es kann Stunden dauern, bis der erste ins eiskalte Wasser springt. Doch wenn sich einer traut, folgt der Rest sofort.

Winfried Wisniewski konnte auf seiner Reise in die Antarktis fast alle dort lebenden Pinguine fotografieren. Die freundlichen, bis 58 cm großen Eselspinguine mit dem weißen Häubchen und dem orangefarbenen Schnabel. Die putzigen Adéliepinguine, die aussehen wie ein Ober, dessen Beine zu kurz geraten sind. Und die Goldschopfpinguine, die auch treffend Macaronipinguine genannt werden, weil sie aussehen, als hätten sie sich ein paar Nudeln mit Tomatensauce auf den Kopf gelegt.

Ziel der Reise war der Besuch der Kaiserpinguinkolonie in der Atka-Bay. Kein anderes Tier kann mehr Kälte vertragen. Kaiserpinguine ziehen ihre Jungen mitten im antarktischen Winter bei -40° Grad auf. Die eleganten Tiere stehen mitten im Eis und man denkt, sie müssten jeden Augenblick erfrieren. Doch ihr Federkleid schützt auf geniale Weise vor der Kälte: Unter einem dachziegelartig angeordneten Außengefieder befindet sich eine feine Daunenschicht mit Mikroluftkammern. Pinguine tragen sozusagen eine doppelte Iso-Jacke. Zusätzlich schützen sich die drolligen Vögel noch durch ein dickes Fettpolster. Doppelgemoppelt hält eben besser. Thermoaufnahmen zeigen, dass Kaiserpinguine nur um das Auge Wärme an die Umgebung abgeben. Der Rest des Körpers ist hermetisch isoliert.

Eigentlich sollte der Besuch der Kaiserpinguine der Höhepunkt der Reise sein. Doch der blaue Koloss im Polarmeer übertraf alles. Es war das schönste „Blaue Wunder“ dass ich jemals erlebt habe!

Winfried Wisniewski
Wisniewski wurde 1948 geboren. Im Alter von zwanzig Jahren nahm er zum ersten Mal eine Kamera in die Hand und begann zu fotografieren. Seine Fotos sind mehrfach ausgezeichnet worden. Mit dem Bild: „Kehlstreifpinguine auf blauem Eisberg” wurde er 1995 von der GDT zum Naturfotografen des Jahres gewählt. Seine Reisen führten in auf alle Kontinente.

(..)
Die Serie "Fantastische Tierfotos und ihre Geschichte liegt komplett vor und ist lieferbar!

TEXT UND VIELE WEITERE FOTOS SOFORT LIEFERBAR! !Alle Texte, die Sie von Reportagen.de erhalten, werden vor der Auslieferung noch einmal überarbeitet. Sie erhalten stets unique Content