Tau - Funkelnder Tropfenzauber

Glitzernde Perlen an Gräsern, Blättern und Spinnennetzen
Funkelnder Tropfenzauber


Glitzernde Perlen an Gräsern, Blättern und Spinnennetzen


„Wandl ich in dem Morgentau
Durch die dufterfüllte Au,
Muß ich schämen mich so sehr
Vor den Blümlein ringsumher“

Ob sich Gottfried Keller, der Autor dieses Gedichts wohl deshalb schämte, weil er bei seinem Spaziergang mit seinen Füßen die glitzernde, funkelnde und doch so zerbrechliche Schönheit und Pracht des Taus zerstörte? Und in der Tat: Der Morgentau ist fürwahr zart und verletzlich. Wenn wir auf einem Grasweg gehen, dessen Gräser über und über mit Tauperlen benetzt sind, zerstören wir wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen im nu die ganze filigrane Pracht, die über Nacht entstanden ist.

Morgentau bildet sich meist in kühlen Spätsommer- und Herbstnächten. Es sind kondensierte Wassertröpfchen, die sich an Gräsern, Blättern, Zweigen und Spinnennetzen festgesetzt haben. Deren ganze Pracht zeigt sich uns jedoch erst bei Sonnenschein. Es ist ein Spiel der irisierenden Lichter und Farben, das sich uns bietet. Die Sonne ist es aber auch, welche die ganze Schönheit innerhalb weniger Minuten wieder zerstört, indem sie den Tau in Wasserdampf verwandelt. Der Fotograf, der dieses kleine Naturwunder festhalten will, muss sich also beeilen, da ihm nicht viel Zeit bleibt.

Tau in den Wetterregeln

In zahlreichen Bauern- und Wetterregeln spielt der Tau eine wichtige Rolle. Diese sagen uns, dass Tau nicht nur im Herbst, sondern das ganze Jahr über entstehen kann. Starker Tau frühmorgens ist übrigens auch ein Anzeichen schönen Wetters.

Schon im Winter geht es an, wenn es heißt: „Februar-Tau bringt Nachtfrost im Mai“.

Vom darauf folgenden Monat gibt es mindestens zwei Regeln: „März in der Blume, Sommer ohne Tau, trocknen die Felder und dörren die Au'“ oder „Soviel Tau im März, soviel Reif nach Ostern und Nebel im August“.

Im Mai sagt man: „Abendtau und kühl im Mai, bringt viel Wein und bringt viel Heu“, oder auch: „Grün schmückt sich Flur und Au, fällt vom Himmel Maientau“.

Im Hochsommer gibt es die Regel: „Der Tau tut dem August so not, wie jedermann das täglich Brot. Entzieht er sich gen Himmel, herab kommt ein Getümmel“.
Und schon sind wir wieder im Winter, wenn wir sagen: „Winternebel bringt bei Ostwind Tau, der Westwind trägt ihn aus der Au“.

Nachfolgende Bauernregeln gelten letztendlich für das ganze Jahr: „Ein guter Tau ist so viel wert wie ein schlechter Regen“, „Wenn kein Tau fällt, so kommt Regen“ und „Häufig starker Tau hält den Himmel blau“.

Tau im Brauchtum

Der Tau spielte auch eine Rolle im Brauchtum. Besonders der Maitau kommt darin oft vor. In Westfalen gab es zu Pfingsten einen Hirtenbrauch. Am ersten Pfingsttag um 12 Uhr nachts ritten die Pferdejungen auf die Pfingstweide. Wer dort als erster ankam, wurde „Taustrauch“ genannt. Man setzte ihn zunächst auf einen Strauch, bevor er unter allgemeinem Freudengeschrei vom Berg in das Tal hinunter durch den Tau gezogen wurde.

Ein Alpenländischer Brauch ist auch vom Osterfest bekannt. Mädchen im heiratsfähigen Alter breiteten Abends weiße Tücher aus, um sich damit am Ostermorgen mit der Taufrische abzureiben. Dadurch sollten sie rein und schön bleiben. Mädchen, die von Natur aus nicht so mit Schönheit gesegnet waren, sollten sich morgens in der ersten Dämmerstunde nackt im Ostertau wälzen. Ob dies wirklich hilft, ist nicht erwiesen!

In Oberösterreich gibt es einen Brauch, bei dem Gruppen von fünf bis sechs Burschen in der Johannisnacht um zwei Uhr morgens ein Geißelschnalzen veranstalten. Wer den Takt nicht hält, wird durch den Morgentau gezogen. Das ganze Jahr über führt er dann den Spottnamen „Tauwascher“.

Mythologie und Aberglaube

Auch hier spielt wieder der Maitau eine große Rolle. Von dem am 1.Mai in der früh gesammelten Tau sollte man Schönheit erlangen. Er sollte aber auch ein gutes Mittel gegen Sommersprossen sein. Besonders der Tau von Roggen ist dazu geeignet. Auch für Pockennarben, Flechten und andere Hautkrankheiten soll der Maitau gut sein.

Tau, der vor dem 1.Mai gesammelt wurde, sollte das Vieh vor Vergiftung, Blähungen und anderen Krankheiten schützen. Dem Menschen schützte er gegen den Teufel und die Hexen. Letztere wiederum benötigten den Maitau zur Herstellung der Hexensalbe. Sammelte man Tau innerhalb eines Hexenringes (Im Kreis wachsende Pilze), so war dieser ein guter und wirkungsvoller Liebestrank.

Text & Fotos: Walter J. Pilsak
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