Wildholzwerker

Mit der Natur - nicht gegen die Natur
Wildholzwerker - das klingt ungezähmt und eigenwillig, es lässt an Menschen denken, die abseits vom breiten Weg nach Holz und Glück suchen. In gewisser Weise stimmt es auch für den Wahl-Hattstedter Hans-Jürgen Schulz(76). Vor gut zehn Jahren hat der ehemalige Förster damit begonnen Möbel aus so genannten wilden Hölzern (Wildholz) zu bauen. Sein Motto: Mit der Natur nicht gegen die Natur.

Gleich neben dem schönen alten Reetdachhaus an der B5 entstehen die vielfältigen Unikate in seiner kleinen Werkstatt in Handarbeit. Bei seiner Arbeit geht es dem 76-jährigen primär um das Erfassen und Sichtbar machen der Schönheit der Natur. Die natürliche Ästhetik zeige sich am deutlichsten in gewachsenen Strukturen, die durch dynamische Bewegungen wie sie beispielsweise von Wind oder Feuer verursacht werden.

Ob beim Suchen von Wildholz oder bei seiner Gestaltung - Schulz lässt sich intuitiv von der Natur leiten - bereits während des Findens nehmen kommende Werke Gestalt an. Seine Schätze wollen entdeckt werden. Es gibt weder Auftrag noch Plan noch Zeitdruck. Seine „Schatzsuche“ wirkt wie ein Spaziergang; immer gespannt, welches kurvige und knorzige Exemplar ihm heute begegnet. Für seine Arbeit fällt der Kunsthandwerker weder Bäume noch schneidet er Äste eines gesunden Baumes ab. Aus Erfahrung weiß der Forstmann, dass viel Holz in den Wäldern herumliegt und dann gibt es auch so jede Menge gutes Holz von Sturmschäden, Knickholz und Reste aus Rückschnitten.

Das Element Holz faszinierte Schulz während seines gesamten Berufslebens als Förster. Förster wollte Schulz schon zu Kinderzeiten werden. Dieser Herzenswunsch sollte für den in Danzig Geborenen und durch den Krieg aus der Heimat nach Vorpommern Vertriebenen aber erst nach seiner Flucht in den Westen wahr werden. Im hessischen Wetter war Schulz 45 Jahre mit Leib und Seele Förster. Als für den begeisterten Forstmann aus beamtenrechtlichen Gründen mit dem 65. Lebensjahr Schluss sein sollte, konnte er sich ein Leben ohne seine intensive Arbeit mit der Natur kaum vorstellen. „Und was mach ich nun?“ fragte sich der damals 65-jährige. Schließlich will ich nicht Däumchen drehend auf mein seliges Ende warten!“ Menschen sind nicht für den Müßiggang gemacht.

In jedem steckt so viel Kreativität, man muss sie nur hervorlocken.

Im wenig geliebten Ruhestand angekommen, zog es Hans-Jürgen Schulz und seine Frau nach Hattstedt. Aus dem Urlaubsdomizil an der B5 wurde nun Heimat. Die Kreativität brannte Schulz unter den Nägeln. Mitte der 90iger fing Schulz an Möbel zu restaurieren und später auch selbst zu bauen. Doch nach Gartenmöbeln, Bett und einem kompletten Küchenausbau war der Bedarf irgendwann gedeckt. Er suchte eine Möglichkeit, wo seine Kreativität frei fließen konnte. Klar war, es würde eine individuelle, intensive Beschäftigung sein, die mit Holz zu tun haben musste. Eine Broschüre aus dem Ökohandel brachte ihn auf die richtige Spur. „Bei dem Buchhinweis „Möbel aus Wildholz“ von Daniel Mack hat es bei mir klick gesagt“, bekennt Schulz. Das Buch schenkte dem autodidaktischer Handwerker vielfältige Anregungen für’s eigene kreative Schaffen; Mack wurde quasi zu seinem Lehrer.

Egal wie krumm die Schätze gewachsen sind - gewerkelt wird mit Herz, Hand und Verstand. Gleich nach dem Sammeln müssen sie entrindet werden, damit die Holzstruktur komplett erhalten bleibt. Anschließend ist rund 14 Tage Sonnenbaden verordnet und nach dem Vortrocknen geht’s dann für zwei Jahre ins luftige Lager. Neben Werkbank und Arbeitsplatte sind japanische Feinsäge, Raspel, Schnitzmesser, Schmirgelpapier und Schraubzwingen die wichtigsten Werkzeuge für den Hobbykünstler, um die schiefen krummen Fundstücke so einzupassen, dass daraus ein harmonisches Ganzes entsteht. Immer neue noch feinere Details kommen erst ganz zum Schluss beim Polieren mit Leinöl zum Vorschein. Die Nähe zur Natur spürt man den Gegenständen unmittelbar an - Die Farben werden kräftiger und die Objekte beginnen zu leuchten und strahlen etwas Feines und Vitales aus.

Ob Gebrauchsmöbel oder Designerstück, der Kunsthandwerker freut sich ausgefallene Objekte als Möbel für ein ganzes Leben schaffen zu dürfen. Überregional kann man die zeitlosen Unikate vom Stuhl bis zum Tisch während der Forst- und Holzmesse und beim Branchentag Holz bestaunen. Regional ist der Wildholzwerker mit seinen beeindruckenden Schätzen während des Kunsthandwerkermarktes im Husumer Speicher und in den Reussenkögen in der Galerie Peters zu finden.

Text & Fotos: Susanne Steyer-Werner