Von Grasgrün bis Giftgrün

Von Grasgrün bis Giftgrün

Die Farbe Grün symbolisiert Leben und Natur



Eine Farbe ist ein Sinneseindruck, den wir haben, wenn das Licht einer bestimmten Wellenlänge auf die Netzhaut unseres Auges fällt. Diese Farbe übt dann auf uns neben der visuellen auch eine indirekte Einwirkung aus, die wir oft nur im Unterbewusstsein wahrnehmen. Jeder weis aus eigener Erfahrung, dass die Farbe Rot anregend auf unseren Organismus und die Psyche wirkt. Dagegen haben Blau wie auch Grün, auf uns eine beruhigende Wirkung.

Die Wurzel des Wortes "grün" liegt in dem alten Wort "ghro" und in dem althochdeutschen „gruoen“, was ursprünglich wachsen, grünen und grasfarbig bezeichnet. Grün ist deshalb die Farbe der Natur und des Lebens. Als Farbe des Frühlings symbolisiert Grün die jährliche Erneuerung und den Triumph des Frühlings über den kalten Winter. In der Natur finden wir Grün, das von dunklem waldgrün über leuchtend grün bis zum hellgrün der austreibenden Birkenblätter reicht. Grün symbolisiert für uns auch Hoffnung und Unsterblichkeit. Heißt doch schon ein bekannter Spruch: „Grün ist die Hoffnung“.

Beruhigende Wirkung von Grün

Mit ihrer Nähe zur Natur wirkt die Farbe Grün beruhigend und harmonisierend, was z.B. bei Rot nicht der Fall ist. Grün ermüdet unsere Augen in keiner Weise - denn schon Plinius bemerkte: "Grün erfreut das Auge, ohne es zu ermüden". Jeder der einen Waldspaziergang macht, kann diese erholsame und entspannende Wirkung bestätigen. Diese positive Wirkung auf Seele und Körper wurde schon von einer führenden Heilkundigen des Mittelalters, Hildegard von Bingen, erkannt.
Da Grün auch Gleichgewicht und Harmonie symbolisiert, wird es auch in der Farbtherapie verwendet. Farbbestrahlungen mit Grün sollen das gesamte Nervensystem beruhigen, sowie gegen Anspannungen, Nervosität und Schlafstörungen wirken. Für angegriffene Nerven gilt es als Nervennahrung. Grün ist die Farbe der Balance und Menschen, deren Lieblingsfarbe Grün ist, sind oft bescheiden, ausgeglichen und geduldig.

Grün in den unterschiedlichen Kulturen

Die Farbe Grün hat fast auf der ganzen Erde und in den unterschiedlichsten Kulturen die gleiche Symbolkraft. Als Farbe des pflanzlichen Wachstums wird Grün in China dem weiblichen Prinzip zugeordnet. Im Islam und in der arabischen Welt ist Grün die Farbe des Propheten Mohammed. Sie ist als heilige Farbe das Sinnbild für blühende Landschaften und grüne Oasen und demzufolge die Farbe, die im Paradies überwiegt. Die meisten islamischen Staaten haben Grün in ihrer Flagge.

Grün hat auch noch in anderen Ländern eine Bedeutung.

In der grün-weiß-roten Flagge Italiens symbolisiert es das Recht des Menschen auf Freiheit und Gleichheit. Und auf der grünen Insel - in Irland - wird Grün als Nationalfarbe von den Katholiken beansprucht. Im alten Rom war Grün die Farbe von Venus, der Göttin der Schönheit und der Liebe. Und bei uns gibt es „Die Grünen“, eine noch relativ junge politische Partei, die Ökologie und Umweltschutz als ihr wichtigstes Anliegen ansieht.

Im Christentum und im Mittelalter war bei uns Grün die Farbe der Liebe. Es wurde mit der Barmherzigkeit und dem Anfang des Lebens gleichgesetzt. Daher tragen Heilige im Mittelalter häufig einen grünen Mantel. Noch heute beginnt bei den Christen die Karwoche mit dem „Grünen Sonntag“, dem „Palmsonntag“. Ebenfalls mit einem grünen Tag, dem „Gründonnerstag“ endet die Fastenzeit. In der Frühzeit des Christentums wurde „Grün“ auch mit Heidentum verbunden.

Im Alltag verwenden wir die Bezeichnung Grün noch in vielen anderen bereichen. Wir sagen zum Beispiel zum unreifen Obst, dass dieses noch grün ist. Auch frisches und nicht getrocknetes Holz bezeichnen wir als Grün. Einen jungen, unerfahrenen Menschen bezeichnet man gelegentlich als „grünen Jungen“ und auch wenn uns jemand nicht wohlgesonnen ist, sagen wir: „Der ist mir nicht grün“.

Giftgrün und die böse Farbe

Wenn ein spezielles Grün ins Gespräch kommt, assoziiert man damit auch das giftige, wie schon die Bezeichnung Giftgrün sagt. Zur Herstellung von grünen Farben waren einst giftige Zutaten notwendig. Eine bestimmte Malfarbe, das „Schweinfurter Grün“ wurde aus Kupfer Grünspan, gelöst in Arsen, hergestellt. Nach dem Auftragen entwichen der Farbe giftige Arsendämpfe. Dieses Grün war auch die Lieblingsfarbe von Napoleon. In seinem Exil in St. Helena ließ er alle seine Wohnungsräume mit dieser Farbe streichen. Letztendlich starb er an den giftigen Ausdünstungen dieser Farbe. Als man nämlich seinen Leichnam chemisch analysierte, fand man große Mengen Arsen in seinen Haaren und Fingernägeln.

Abgesehen einmal von dem eben beschriebenen Giftgrün, das in uns Gefahr und Tod assoziiert, gibt es kaum einen Grund, um Grün in einem negativen Sinn zu sehen. Eine Ausnahme machte vielleicht der von 1794-1827 lebende spätromantische Lyriker und Textdichter Wilhelm Müller, der u.a. auch den Text zu den bekannten Volksliedern, „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und „Am Brunnen vor dem Tore“ schrieb. In dem von Franz Schubert vertonten Liederzyklus "Die schöne Müllerin" textete er auch eines mit dem Titel: „Die böse Farbe“ Andererseits schrieb er aber im gleichen Zyklus auch ein Gedicht mit dem Titel „Die liebe Farbe“ in dem er wiederum das Grün in der Natur huldigte.

Text & Fotos: Walter J. Pilsak