„Allerweltsmittel“ Löwenzahn

Ein kleines Portrait vom „Allerweltsmittel“ Löwenzahn

Taraxacum officinale ist eine vielseitig verwendbare Heilpflanze unserer Weiden und Wiesen


Er wird zwar nur als Unkraut betrachtet, ist aber in Wirklichkeit eine wahre Wunderblume. Die Rede ist vom unverwüstlichen Löwenzahn, für den selbst Mauern oder die Asphaltdecke einer Straße kein Hindernis sind. Wenn wir im April / Mai durch die Landschaft fahren, sehen wir oft leuchtend gelbe Wiesen, die mit Löwenzahnblüten geradezu übersäht sind. Mit diesem fröhlichen Gelb geben sie dem Frühling noch einen letzten kräftigen Anstoß.

Trotz seiner Häufigkeit ist der Löwenzahn ein Wunder der Natur, dem man mit mehr Ehrfurcht begegnen sollte. Betrachten wir doch einmal das zarte, filigrane Blütenwunder der Pusteblume mit seinen Fallschirmchen etwas genauer! Was für eine unübertroffene Harmonie und Schönheit und was für ein Geheimnis der Schöpfung steckt dahinter!

Das besondere am Löwenzahn ist, dass er sich durch Jungfernzeugung vermehrt. Während sich der Löwenzahn zur sogenannten Pusteblume verwandelt, werden die Stiele der einzelnen Blüten des Löwenzahnkörbchens etwa dreißigmal so lang wie vorher. Der daran festgewachsene Haarkranz breitet sich aus und die etwa 200 bis 400 Fallschirmchen einer Blüte sind startklar. Bei Wind werden sie kilometerweit fortgetragen. Ist so ein Fallschirmchen dann irgendwo gelandet, tritt sofort ein Spezialmechanismus in Aktion. Die Löwenzahnsamen tragen nämlich nach hinten gerichtete Zähnchen, die sich bei der „Landung“ sofort festkrallen. Unsere gelb verfärbten Wiesen im Frühjahr zeugen vom Verbreitungserfolg der Löwenzahnfallschirmchen.

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Der Löwenzahn hat im volkstümlichen Sprachgebrauch verschiedene Namen. Man nennt ihn Gemeine Kuhblume, Butterblume, Kuhlattich, Milchblume, Mistfink, Mönchskopf, Laterne, Sonnenwirbel und Pusteblume. Was wären unsere Wiesen und Weiden im Frühjahr ohne diese leuchtend gelbe Schönheit! Ganze Wiesenflächen verwandeln sich jedes Jahr aufs neue fast über Nacht in strahlend gelbe Riesenteppiche. Es ist deshalb nicht zuletzt dem Löwenzahn zu verdanken, dass der Frühling auch optisch auf uns in einer neuen herrlichen Pracht einwirkt. Auch den oft so monotonen Rasenflächen vieler unserer Gärten sollten wir einige gelbe Farbtupfer des Löwenzahns gönnen. Diese Farbauffrischung durch die von vielen Gartenbesitzern ebenso gefürchtete wie gehasste Blüte kann nur von Vorteil sein.

Der Name Löwenzahn bezieht sich auf die spitzen Zähne der gesägten Blätter.

Diese können in jungem Zustand auch als Salat zubereitet werden, was allerdings wegen ihres bitteren Geschmacks nicht jedermanns Sache ist. Auch die pfahlartige Wurzel, in der man über 50 wichtige Wirkstoffe gefunden hat, verwendet man als Heilmittel. Dich wichtigsten im Löwenzahn enthaltenen Wirkstoffe sind Taraxerin und Inulin, Bitterstoffe, Taraxin, Cholin, ätherische Öle, Wachs, Schleim, Eiweiß, Vitamin B2, C, D sowie die Mineralien Eisen, Silicium, Mangan und Schwefel.
Löwenzahn wirkt blutreinigend, harntreibend, verdauungsfördernd und magenstärkend. Heilkräuterkundige empfehlen ihn bei Leber-, Gallen-, Nieren- und Blasenleiden. Auch bei einfacher Gelbsucht, Anämie, Krampfadern, Hämorrhoiden sowie Magen- und Darmstörungen soll man ihn anwenden. Das gleiche gilt bei Hautausschlägen, Akne, Ekzeme sowie Rheuma, Gicht, Arthritis und Arthrose.

Mit einem Tee aus Löwenzahnkraut versuchten früher die Mütter die Blasenschwäche ihrer Kinder zu behandeln. Aus diesem Grund nannte man den Löwenzahn z.B. in manchen Gegenden Bayerns „Bettbrunzer“. Auch die Anwendung bei Lebererkrankungen war bereits seit dem 18.Jahrhundert üblich. Verantwortlich für die oft guten Heilerfolge sind seine Bitterstoffe (Sesquiterpene), wie neuzeitliche pharmakologische Untersuchungen bewiesen haben. Nur mit dem bitteren Milchsaft, der aus dem Blütenschaft hervorquillt, sollte man vorsichtig sein. Bei Kleinkindern kann er vergiftungsähnliche Erscheinungen verursachen. Aus den goldgelben Blüten kann man zusammen mit dem Saft von Zitronen und mit Zucker auch einen Sirup herstellen, der im Geschmack vom echten Bienenhonig fast nicht zu unterscheiden ist. Dieser soll auch noch gesundheitsfördernd und stärkend wirken.

Der Löwenzahn wurde übrigens schon von den arabischen Ärzten Rhazes und Avicenna beschrieben und auch die alten Griechen schätzten diese Heilpflanze. Früher kam der Löwenzahn nur im nördlichen Eurasien vor. Von hier aus hat er sich weltweit über die gemäßigten Zonen verbreitet. Er gedeiht heute von den Küstenebenen bis hinauf in die Hochgebirge oberhalb der Baumgrenze. Seine Lieblingsstandorte sind aber fette, stickstoffreiche Wiesenflächen.

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Text und Fotos: Walter J. Pilsak

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