Ästhetik in der Natur

Die Schönheit natürlicher Strukturen bei Pflanzen
Ästhetik in der Natur

Die Schönheit natürlicher Strukturen bei Pflanzen

Jeder Mensch hat eine Bindung an das Schöne. Uns begeistert die Ästhetik einer Blume genauso wie eine schöne Landschaft oder die Komposition eines Bildes. Dies gilt fast für jeden Menschen - egal ob es ein Gewaltverbrecher, ein Krieger oder ein sogenannter Normalbürger ist. Wer kommt nicht ins Schwärmen beim Anblick einer Blumenwiese! Die Farbzeichnung eines Schmetterlings lässt unseren Blick plötzlich gespannt innehalten und wenn wir einen Blumenstrauß überreicht bekommen, führen wir ihn unweigerlich zur Nase, um den Duft zu erkunden.

Tiere lieben schöne Pflanzen

Was die Reaktion auf Farbkontraste, Formgestaltung bzw. Ästhetik betrifft, reagieren Menschen und Tiere oft ähnlich. Die Ästhetik äußert sich ja in Ordnungsprinzipien, die sich wiederholen bzw. die wiederkehren. Blumenmuster enthalten solche Ordnungsprinzipien, die sich in Linien und Farbschattierungen äußern. Der Münsteraner Zoologe Bernhard Rensch hat bei Untersuchungen herausgefunden, dass Dohlen und Krähen - die ja als besonders intelligent gelten - Muster bevorzugen, die nach dem Prinzip von Rhythmus und Gleichgewicht aufgebaut sind.

Die ästhetische Form und die Aufgliederung des Blütenmusters sind auch für Insekten von großer Bedeutung. Bei Versuchen mit Mustern von Blütenattrappen hat man festgestellt, dass harmonisch aufgegliederte Blüten eine größere Lockwirkung ausüben. Es ist also anzunehmen, dass Insekten schöne Blüten gegenüber unattraktiven bevorzugen. Ein gutes Beispiel ist hier das Vergissmeinnicht: Der gelbe Ring um die Öffnung der Kronröhre sticht so auffällig von der himmelblauen Farbe des Kronblattsaumes ab, dass die Blüte für Insekten weithin sichtbar ist.

Pflanzen in der Architektur

Viele Errungenschaften moderner Architektur und in der Kunst beruhen auf Strukturen, die von der Natur bereits vor Jahrmillionen gebildet wurden. Der Bildhauer und Fotograf Karl Bloßfeldt veröffentlichte 1928 das Buch "Bilder der Natur - Urformen der Kunst". Die darin veröffentlichten Aufnahmen hatte er nach langwierigen Vorstudien gemacht. Die Fotos zeigen dem Betrachter den überreichen Formenschatz in der Natur. Es treten Ähnlichkeiten zwischen menschlichen Bauten und Pflanzenteilen zutage, wie etwa die zwischen einem Schachtelhalm und einem Minarett.
Schon von der Antike an wurden in allen historischen Stilen Ornamente verwendet, die der Pflanzenwelt nachempfunden wurden. Dies fand auch in vielen barocken Kirchen ihren Fortgang. Die Ausstattungskünstler nahmen für ihre Motive auch hier Pflanzen als Vorbild. Altäre, Kanzeln, Beichtstühle und Orgelgehäuse ließ man von Rankwerk umspielen. In manchen Gegenden Bayerns gibt es in einigen Gotteshäusern eine Altarform, den sogenannten Akanthus-Altar. Dessen Name stammt von einem Stauden-Gewächs des Mittelmeerraumes. Die gefiederten Blätter dieses Stachelbärenklaus (Acanthusmollis) wurden im Schmuck- und Bauhandwerk als Ornamentvorbild verwendet. Neben diesen Blättern dienten bei den Arkanthus-Altären auch heimische Pflanzen, wie die Sonnenblume und Disteln als Vorbild. Auch Adlerfarn, die Kapseln des Mohns und den Granatapfel verwendeten die Künstler beim Dekorieren als Vorlage.

Überall Spiralen

Als Folge mathematischer Gesetzmäßigkeiten haben sich in der Natur oft schöne Strukturen entwickelt. Eine solche ist die Spiralenform. Schon der Naturforscher und Dichter Johann Wolfgang von Goethe glaubte in der Vegetation eine allgemeine Spiraltendenz entdeckt zu haben. Und tatsächlich finden wir überall in der Schöpfung spiralige Formen. In Wirbelwinden strömen Luftmassen auf Spiralbahnen ins Wirbelzentrum; unzählige Galaxien rotieren spiralförmig. Im kleinen finden wir Spiralen z.B. in Schneckenhäuschen. Die Hörner mancher Tierarten wie Mufflons oder des Kaffernbüffels sind Teil einer Spirale. Im Pflanzenreich treten Spiralformen beim sich entrollenden Farnsprössling auf. Windengewächse suchen sich spiralförmig einen Halt. Ebenso sind die Blüten auf einer Sonnenblume spiralförmig angeordnet. Auch die Früchte des Scheibenklees oder die Samen des Reiherschnabels sind spiralig.


Text & Fotos: Walter J. Pilsak

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