Einladung ins Geierrestaurant

Bartgeier in den Drakensbergen
Nicht einmal zehn Meter von mir entfernt streicht der alte Bartgeier im böigen Aufwind die Felskante entlang. Die Spitzen der langen Flügel sind durchgebogen. Jede Federborste des "Bartes" an seinem Schnabel kann ich erkennen und sogar die rote Umrandung des Auges. Ich staune ungläubig und wage kaum zu atmen. Alle Bartgeier, die ich vorher in freier Natur gesehen habe, waren Hunderte von Metern weit entfernt. Angestrengt äugt der Riesenvogel  in meine Richtung, doch er kann mich nicht sehen. Ich sitze im "vulture hide", im Geierversteck des  Giant's Castle Wildschutzgebietes in den Drakensbergen von Südafrika. Die Scheiben dieses komfortablen Unterstandes sind nur von innen durchsichtig, von außen kann man nicht hineinsehen.


Hier haben Natals Naturschützer ein "Geierrestaurant" eingerichtet. Der seltene Bartgeier, der bedrohte Kapgeier, Kaffernadler, Schakalbussard, Lannerfalke  und Geierrabe lassen sich nicht lange bitten und sind regelmäßig Gast in diesem Restaurant. Ausschließlich in den Wintermonaten von Mai bis Septem-ber werden sie hier gefüttert. Im Südsommer sollen sie selbst Nahrung  suchen, damit sie nicht völlig von den Fütterungen durch Menschen abhängig werden. Täglich werden einige Kilo Fleisch und Kno-chen ausgelegt. Zusätzlich können Besucher des Verstecks für eine Gebühr den Kadaver eines Pferdes oder einer Kuh auslegen lassen. Die Tiere sind alt oder krank und würden ohnehin geschlachtet. Ohne diese Zusatzfütterungen wären noch mehr Geier als bisher schon von der Bildfläche verschwunden. 


Eine Stunde vor Sonnenaufgang sitze ich, im südafrikanischen Winter hier auf 2.000 m Meereshöhe ein wenig fröstelnd, im Versteck beim Geierrestaurant. Vor drei Tagen haben Mitarbeiter des Giant's Castle Game Reserves ein Pferd vor meinem gemütlichen Unterstand auslegen lassen. In jeder Nacht haben Schabrackenschakale von der willkommenen Mahlzeit gefressen, doch Geier haben sich bisher für den Kadaver nicht interessiert. Langsam lässt die aufsteigende Sonne die Hänge des gegenüberliegenden Bergmassivs rotviolett aufleuchten. Der Luderplatz liegt noch im Dunkeln. Plötzlich ein Schatten über mir, ein Kapgeier fliegt mit langsamem Flügelschlag hoch über der Felskante entlang. Nur Sekunden später folgt ein zweiter, ein dritter. Bald sehen wir mehr als zwanzig Vögel in der Luft. Ich wundere mich, weil ich die Tiere erst eine Zeitlang nach Sonnenaufgang erwartet habe, wenn sie auf der Nahrungssuche die durch die Erwärmung der Erde verursachte Thermik zum Segelflug nutzen. Doch immer mehr von ihnen  finden sich schon bei Sonnenaufgang ein. Der erste lässt sich an der Felskante nieder, weitere folgen. Zu Fuß nähern sich zwei, drei Geier dem Aas und beginnen, mit dem kräftigen Schnabel Stücke aus dem Fleisch des Pferdes herauszureißen. Nun gibt es kein Halten mehr. Sie fallen über den Kadaver her, der bald von ihren Leibern bedeckt ist. 60 Tiere sind nun vor unserem Versteck versammelt. Ab und zu geraten zwei Vögel in Streit und fliegen mit ausgestreckten Klauen ge-geneinander. Mit dem Schnabel versuchen sie, den Gegner auf Distanz zu halten. Insgesamt geht es jedoch friedlich zu. Nach einer guten Stunde sind alle Vögel satt. Mit  vollen Kröpfen watscheln sie zur Felskante zurück und nehmen ein Sonnenbad. Nach und nach verschwinden sie vom Felsband und er-heben sich hoch in die Luft und entschwinden meinen Blicken.


Geier nehmen eine wichtige Rolle in den Ökosystemen warmer Länder ein. Sie sorgen für die Beseiti-gung von Kadavern und beugen so der Ausbreitung von Seuchen vor. Seit der Mensch Viehzucht be-treibt, haben Geier auch tote Haustiere gefressen. Die bis heute vergleichsweise starken Populationen von Gänse- und Mönchsgeier in Spanien wären ohne die über Jahrhunderte betriebene Schafzucht nicht denkbar. Selbst wo im kalten  Mitteleuropa Schafe gehalten wurden, hat der Gänsegeier gebrütet, angeblich bis ins 17. Jahrhundert im Schwarzwald. Und noch im 19. Jahrhundert war der Gänsegeier Brutvogel in Polen. In Asien und Südamerika sind Geiern bis in die jüngste Zeit hinein sogar menschli-che Leichen vorgelegt worden, die sie in kurzer Zeit in Skelette verwandelt haben.

Durch die Zunahme menschlicher Besiedlung sind die Geier Afrikas in ihrem Bestand stark beeinträch-tigt worden. Zwar sind etliche Arten in den Schutzgebieten und Nationalparks noch ziemlich häufig, doch außerhalb der Reservate gibt es sie nur noch ausnahmsweise. Im südlichen Afrika ist der Kapgei-er die einzige endemische Geierart. Er ist heute besonders stark gefährdet. Sein stetiger Rückgang ist auf eine ganze Reihe von Faktoren zurückzuführen: die Abnahme der Wildtierherden, die moderne Viehzucht, den  ungezielten Einsatz von Gift bei der Verfolgung von "Raubtieren",  den Tod durch Stromschlag bei Kontakt mit Starkstromleitungen. Doch am meisten ist der Rückgang wohl verursacht worden durch die hohe Sterblichkeit von Nestlingen infolge Kalziummangels. Die alten Tiere haben nach dem Verschwinden von Großraubtieren wie Löwen und Hyänen keine Tierknochen mehr gefunden, die das zum Knochenwachstum der Jungen unerlässliche Kalzium hätten liefern können. So kam es immer häufiger zur Aufzucht von jungen Kapgeiern, die verkrüppelte Flügel hatten und flugunfähig waren. 

Der Kapgeier hat das kleinste Verbreitungsgebiet aller Altweltgeier. Dennoch war er lange Zeit der häu-figste Geier im Süden Afrikas. Mehr als andere Arten hatte er sich den Menschen angeschlossen. In Kapstadt gehörte er zum Straßenbild und war dort als eine Art Gesundheitspolizei geschützt. Lange Zeit lebten Kapgeier vor allem von gefallenem Hausvieh.
Einladung ins Geierrestaurant
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Da sie auch die Nachgeburten von Schafen und Ziegen fraßen, gerieten sie in den Verdacht, Haustiere zu töten, wofür es bis heute keine Beweise gibt. Mit Gift und Gewehren gingen die Farmer gegen die Geier vor. Heute sind sie aus weiten Teilen des südlichen Afrika verschwunden. Es gibt zur Zeit nicht mehr als 83 Plätze, an denen sich Brutkolonien befinden. Sie sind konzentriert um die Drakensberge Südafrikas. Außerhalb des Landes brüten sie in geringer Zahl nur in Botswana, Simbabwe, Namibia und vielleicht in Mosambik. 1976 wurden noch 2.500 Brutpaare und insgesamt 10.000 Exemplare gezählt. Heute hat sich dank Schutzmaßnahmen und Fütterungen in Geierrestaurants die Lage etwas verbessert. 


Der zweite große Geier, der am Luderplatz erscheint, ist der sagenumwobene Bartgeier. Er ist der "Lämmergeier" der Alpen, wo er schon vor Ende des 19. Jahrhunderts ausgerottet wurde. Der letzte "deutsche" Bartgeier wurde 1855 bei Berchtesgarden vergiftet. Im Englischen wird er "Bearded Vulture", aber auch Lammergeyer genannt, in Südafrika "Lammergier". Geschichten von Bartgeiern, die Lämmer geraubt oder sogar Babys durch die Luft fortgetragen haben, machten Jahrhunderte lang die Runde unter den Bergvölkern seines Verbreitungsgebietes. In Spanien heißt er "Quebrantahuesos", was wörtlich übersetzt "Knochenbrecher" heißt. Dieser Name deutet auf die Nahrungsgewohnheiten des Vogels hin: Er trägt große Knochen von unglaublichem Gewicht in die Luft, wobei er sie mit den Füßen festhält, und lässt sie dann aus 50-80 m Höhe auf Felsplatten zerschellen. Mit seiner löffelförmigen Zunge holt er dann das Knochenmark heraus. Ähnlich verfährt er im Mittelmeerraum mit Griechischen Landschildkrö-ten. Mehr als andere Geier frisst er selbst geschlagene Beute


Der Bartgeier verhält sich ganz anders als der Kapgeier. Er ist ein Einzelgänger. Er segelt weniger als andere Geier, sondern fliegt mit gemächlichen Flügelschlägen weite Strecken seines Reviers auf der Suche nach Aas ab. Am Geierrestaurant  erscheinen Bartgeier fast täglich. Sie fliegen hart an der Fels-kante vorbei, auf der das Versteck steht. Doch kann es Stunden dauern, bis sich einer der Vögel am Aas niederlässt. Sind Kapgeier in der Nähe, meiden Bartgeier die Stelle. Die meisten Tiere, die wir zu Gesicht bekommen, sind Jungtiere. Das Jugendkleid ist dunkel schwarzbraun, die Unterseite hellgrau-braun. Die Umfärbung bis ins endgültige Alterskleid kann bis zu sieben Jahre dauern. Auffällig ist die cremefarbene bis rostrot gefärbte Unterseite der Vögel. Nach der Mauser sind die Federn auf Brust und Bauch des Bartgeiers zunächst weiß. Die gelbe oder rostige Farbe ist bedingt durch einen Farbstoff aus Eisenoxyd mit Spuren von Quarz, der in den Höhenlagen, die die Bartgeier besiedeln, an den Ruhe- und Brutplätzen der Vögel regelmäßig vorkommt. Anreicherungen von Eisenoxyden färben in feuchtem Zustand stark ab. Es wird berichtet, daß Bartgeier Stellen mit diesem Farbstoff sogar aktiv aufsuchen.


Das Verbreitungsgebiet des Bartgeiers ist riesig, von Westeuropa und Nordafrika über Südosteuropa und den Kaukasus bis Innerasien. Es ist fraglich, ob sich in diesem weiten Areal  drei oder vier Unterar-ten gebildet haben. Die kleinste Rasse ist jedenfalls in Ost- und Südafrika heimisch. Mit Ausnahme der Bestände im Kaukasus und in Zentralasien ist der Bartgeier überall selten. In den spanischen und fran-zösischen Pyrenäen zusammen leben gerade einmal gut 40 Paare, in Marokko vielleicht 100 Paare; in den gesamten Drakensbergen Südafrikas leben nicht mehr als 200 Paare, davon mehr als die Hälfte auf dem Territorium des Königreiches Lesotho.


Dennoch können die Bestände des Bartgeiers als gesichert gelten, wenn die Vögel vor Nachstellungen geschützt werden können und wenn genügend Nahrung für sie zur Verfügung steht. Dazu gehört auch, dass sie an bestimmten Plätzen zeitweise gefüttert werden. Fast überall hat sich die traditionelle Schaf-zucht überlebt, die Geier finden nicht mehr genug zu fressen. Wenn aber die in der heutigen Landwirt-schaft anfallenden Kadaver an Luderplätzen ausgelegt werden, können die Geier überleben, wird ihr imposantes Flugbild auch in Zukunft über den grandiosen Gebirgslandschaften Europas und Afrikas zu sehen sein.


Wenn wir in unserem Versteck beim Geierrestaurant sitzen, bekommen wir nicht nur Geier zu sehen. Ein Pärchen des Lannerfalken verteidigt schneidig sein Revier gegen Nebenbuhler. Selbst junge und al-te Bartgeier greifen die Vögel im reißenden Flug an, und nicht selten gelingt es ihnen, sie tatsächlich zu vertreiben. Regelmäßig finden sich Geierraben am Luder ein und schleppen große Fleischbrocken weg, um sie irgendwo in der Landschaft zu verstecken. Später am Morgen erscheint regelmäßig ein Scha-kalbussard und holt sich seinen Anteil der Fleischration. Lange brütete ein Paar des Kaffernadlers im Giant's Castle Wildschutzgebiet und ließ sich von Zeit zu Zeit im Geierrestaurant sehen. Dann ver-schwanden sie völlig.  Erst seit dem letzten Jahr tauchte wieder ein Jungvogel des Kaffernadlers regel-mäßig am Luderplatz auf. 


Vermutlich gibt es keine Stelle auf der Erde, an der sich die eindrucksvollen Flugspiele seltener Greif-vögel aus solcher Nähe beobachten lassen. Seit einigen Jahren zieht es mich daher immer wieder in das Geierrestaurant von Giant's Castle. Das Schutzgebiet ist hervorragend geführt, die Naturschutzbe-amten sind freundlich und hilfsbereit. Unterkünfte und Verpflegung sind hervorragend und preiswert. Hoffentlich bleibt es trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage des Landes lange noch so!



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