Wie die Pilze zu ihrem Hut kamen

Ein Hut als Regenschutz?
Wie die Pilze zu ihrem Hut kamen

von Angelika Lensen

„Ein Männlein steht im Walde, ganz still und stumm. Es hat von lauter Purpur ein Mäntelein um.“ Jedes Kind kennt das berühmte Lied über den Fliegenpilz, der still im Wald steht mit seinem roten Hut. Besonders im Herbst sieht man die kleinen Gewächse mit Stiel und Hut aus dem Waldboden sprießen. Aber was wir da aus dem Boden wachsen sehen, in vielen Farben und Formen ist nur ein kleiner Teil der Pilze, nämlich ihr Fruchtkörper. Darin befinden sich die Samen, die nur überirdisch verbreitet werden können. Der größte Teil der Pilze besteht aus einem fein gesponnenen Netz, das unter der Erde wächst oder im Holz von Bäumen. Dieses unterirdische Pilznetz nennt man Myzel und kann sich über viele Kilometer erstrecken und viele Tonnen wiegen.

Ein Hut als Regenschutz

Schimmelpilze wuchsen ursprünglich als eine Art Kruste. Aber vor 180 Millionen Jahren begann eine Gruppe von Schimmelpilzen langsam ihr Aussehen zu verändern und setzten sich manche von ihnen einen Hut auf. Und warum? Bestimmt nicht nur, weil es hübsch aussieht, sondern so ein Hut schützt natürlich vor Regen und hält trocken. Und darum geht es auch den Pilzen: Sie wollen ihre Pilzsporen, mit denen sie sich vermehren, vor Nässe schützen.

Solch ein Pilz mit einer Kappe bot eine Reihe evolutionärer Vorteile, sagen Biologen. Da die Sporen, mit denen sich die Pilze vermehren, unter dem Hut wuchsen, waren sie besser vor Regen geschützt. Und weil der Hut auf einem Stiel stand, konnten sich die Sporen, getragen vom Wind, viel weiter verbreiten. Die Biologen glauben übrigens, dass zuerst der Pilzhut entstand und dann erst der Stiel.

Neues Aussehen förderte die Ausbreitung

Diese Änderung ihres Aussehens erwies sich als klug für die weitere Entwicklung. Sehr schnell formten sich neue Arten, die sich rasch über die ganze Welt ausbreiteten. Darüber berichten Pilzexperten in der Fachzeitschrift „Nature Ecology & Evolution“. Die Forscher haben einen entwicklungsgeschichtlichen Stammbaum von mehr als 5.000 Schimmelpilzarten aus der Familie der Agaricomyceten aufgestellt. Das ist die Gruppe mit der größten Vielfalt an Pilzarten, mit Stielen und Hüten in allen Formen und Größen. Die mehr als 5.000 Arten umfassen ein Viertel aller bisher beschriebenen Agaricomyceten. Bis heute wurden rund 130.000 Pilzarten beschrieben. Nach einer aktuellen Schätzung gibt es weltweit zwischen 2,2 und 3,8 Millionen Arten. Die noch nicht bekannten Arten sind mikroskopisch klein.

Viele Pilzarten leben in Symbiose mit Bäumen
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Pilze profitierten früher von einem großen Waldsterben

Auf der Grundlage genetischer Forschungen entdeckten die Wissenschaftler, dass vor 150 Millionen Jahren, in einer Zeit, in der sich die Erde abkühlte, die Artenvielfalt der Agaricomyceten vorübergehend abnahm. Bemerkenswert ist, dass dies nicht geschah, als vor 66 Millionen Jahren ein Meteorit im Golf von Mexiko auf die Erde traf, der eine Welle des Aussterbens von Tieren und Pflanzen verursachte. Die Agaricomyceten profitierten gerade davon, weil es ein großes Waldsterben gab und damit plötzlich enorm viel Nahrung für die Pilze, die sich von toten Tier- und Pflanzenresten ernähren. Diese Hochzeit für Pilze hat wahrscheinlich nur wenige Jahre gedauert. Das Phänomen wurde bereits vor fünfzehn Jahren schon einmal im Wissenschaftsmagazin „Science“ beschrieben.

Die Müllabfuhr für den Wald

Für den Wald sind die Fähigkeiten der Pilze unentbehrlich, denn nur Pilze sind in der Lage, bestimmte Holzbestandteile zu zersetzen. Auf diese Weise befreien sie den Wald von toten Pflanzen- und Tierresten und produzieren daraus nährstoffreiche Erde, die für das Wachstum neuer Pflanzen unbedingt nötig ist.

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Text: Angelika Lensen
Fotos: Bildagentur Zoonar (Marcel Schauer, Gerd Hermann, Tarabalu, Frank Waßerführer)
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