The Fast and the Furious

Wer den schnellsten Fisch der Meere in freier Wildbahn fotografieren will, muss Geduld mitbringen. Seit Tagen kreuzen auf einem gecharterten Sportfischerboot vor der mexikanischen Insel "Isla Mujeres", ohne auch nur einen der eleganten Jäger zu erblicken. Statt aufs Meer zu starren, suchen wir den Himmel nach Fregattvögeln ab. Diese pfeilschnellen Hochseejäger sind bekannt für ihren scharfen Blick und ihre Vorliebe für Fisch. Oft versammeln sie sich genau dort, wo gute Aussicht auf Beute besteht oder noch besser, wo Segelfische Sardinenschwärme zu einem "Baitball" an die Oberfläche treiben.

Und endlich haben wir Glück. Wie ein wirbelnder Tornado flattern Fregattvögel vertikal über der spiegelglatten See - ein gutes Zeichen! Segelfische treiben ihre Beute dicht zusammen, damit sie mit ihrem schwertartig verlängerten Maul möglichst viele Sardinen verletzen. Wäre die Fregattvögelformation keulen- und nicht säulenförmig, wären mit großer Wahrscheinlichkeit Bonitos oder auch Delfine die möglichen Angreifer. Zwanzig Meter vor der brodelnden Wasseroberfläche navigiert der Bootsführer sein Schiff und ich springe kopfüber mit vorgestreckter Unterwasserkamera und extralangen Apnoe-Flossen ins Meer. Ein Mensch kann mit der Schnelligkeit eines Segelfischs nie mithalten. Ich habe zum Fotografieren nur dann eine Chance, wenn die Segelfische den Schwarm genau auf mich zutreiben. Glücklicherweise erkenne ich sehr bald, dass die Sardinen fast immer in Richtung Sonne flüchten. So weiß ich schon vorab, aus welcher Richtung ich den Schwarm anschwimmen muss. Was ich unter Wasser vor die Linse bekomme ist ein faszinierendes Spektakel. Schwärme aus Tausenden Sardinen zirkeln in synchronisierter Panik. Und um sie herum patrouillieren dunkle Schatten.

Bei der Jagd arbeiten Segelfische im Team.

Bis zu fünfzig Räuber kreisen den in der Tiefe schwimmenden Sardinenschwarm ein und treiben ihn wie Cowboys in Richtung Wasseroberfläche. Die Schwertträger haben dabei ihre Segel aufgeklappt, was ihre Silhouetten vergrößert und sie noch bedrohlicher erschienen lässt. Sie zwingen ihre Beute immer enger zusammen. Dabei verändern die Segelfische blitzartig ihre Farben, was die Sardinen zusätzlich erschreckt und noch dichter zusammenrücken lässt.

Ist der Schwarm dann so dicht, als sei er ein gleißender Tropfen Quecksilber, greifen die Segelfische an. Abwechselnd schießen sie in den Ball aus Fischleibern und peitschen ihren Kopf mit der langen Schwertschnauze hin und her. Einmal verletzt, haben die Sardinen keine Chance, den Räubern zu entkommen. Ab und an werde ich selbst unfreiwillig Teil des Geschehens: Die Sardinen suchen Schutz bei mir und drängen sich dicht an meinen Körper. Und hinter ihnen schießt ein Dutzend Segelfische heran. Sie nehmen wie irrsinnig Geschwindigkeit auf und drehen dann mit höchster Präzision quer und nutzen dabei ihr Segel als Bremsfallschirm. Dabei nähert sich ihr furchteinflößendes Schwert im Moment des Abdrehens bis auf 20 Zentimeter der Kameralinse. In solchen Momenten bin ich heilfroh, dass die Raubfische nicht nur schnell, sondern auch ausgesprochen wendig sind.

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