Neidköpfe - Schutzmechanismus gegen Dämonen und Unheil

Grimmige Fratzen gegen böse Geister
Neidköpfe - Schutzmechanismus gegen Dämonen und Unheil

Tierköpfe und Fratzen aus Stein oder Holz, die an historischen (Fachwerk-)Gebäuden prangen, werden als Neidköpfe bezeichnet. Mit Neidköpfen versuchte der abergläubische Mensch einst Dämonen und böse Geister von seinem Haus fernzuhalten. Besonders viele Neidköpfe gibt es in Waiblingen. Bei einem Rundgang durch die Stadt im Remstal lässt sich die Geschichte von Neidköpfen und der damit verbundene Aberglauben eindrucksvoll nachvollziehen – und zwar auf mal mehr oder weniger Furcht erregende Weise.

Grimmige Fratzen gegen böse Geister

Wer aufmerksam durch historische Altstädte im Süddeutschen Raum schlendert, entdeckt an so mancher Hauswand einen Neidkopf. Diese dienten angeblich früher vor allem der Abwehr von Dämonen. Neidköpfe sind stark in Vergessenheit geraten. In Waiblingen gibt es allerdings noch besonders viele Fratzen zu bestaunen, die von Mauern, Türen oder Häusergiebeln auf den Passanten herab blicken. Der Begriff „Neidkopf“ geht auf das althochdeutsche Wort „nid“ zurück, was übersetzt Neid, Hass oder auch Zorn bedeutet.

Mit Furcht einflößendem Blick fletscht der Löwe an der Außenfassade in der Waiblinger Altstadt dem Passanten seine scharfen Zähne entgegen. Der Löwenkopf in der Kurzen Straße 27 ist nur einer von vielen Neidköpfen, die dem Besucher bei einem Rundgang durch den Waiblinger Ortskern begegnen. Wer will, kann sich bei der Touristinformation Waiblingen in der Stadtmitte den Flyer über die Waiblinger Neidköpfe kostenlos besorgen und alle 13 Neidkopf-Stationen einzeln „abklappern“ – speziell Löwenköpfe sind an den Hauswänden in der Ortsmitte stark vertreten. Ein Löwenkopf gilt seit jeher als Symbol für Stärke und Macht. Kein Wunder, denn schließlich gilt der Löwe dank seinem aufrechten Gang, seiner körperlichen Überlegenheit und seiner majestätischen Ausstrahlung nicht zu Unrecht als König der Tiere. Dem Löwenkopf in der Kurzen Straße fehlt der Beißring, welcher wiederum die kraftvolle Löwenmaske in der Langen Straße bändigt.

Ebenfalls grimmig drein blickt der Gorgonenkopf an der prächtigen Fachwerkfassade in der Kurzen Straße 28. Die stechenden Augen dieser Steinfratze sollen eine Abwehrfunktion erfüllen. Wildes Schlangenhaar, herausgestreckte Zunge und ein stechender Blick aus großen Augen sind charakteristisch für Gorgonenköpfe. Der Gorgonenkopf in der Kurzen Straße 28 entstand vermutlich gegen Endes des 17. Jahrhunderts. Eine weitere Gorgonenmaske befindet sich in der Oberen Sackgasse. Der Gorgone empfängt den Besucher dort mit herausgestreckter Zunge und scheint sich über diesen lustig zu machen. Bei den Gorgonenköpfen im süddeutschen Raum stand vermutlich die Antike geistig Pate. Das Gorgoneion – der Kopf der Medusa – war angeblich schon in der Antike ein wichtiges Symbol zur Abwehr von Unheil. Der aber- und leichtgläubige Mensch im Mittelalter nahm sich alte Sagen oft „zu Herzen“ und verankerte sie fest im Alltag. Dies ist vermutlich auch auf die wirtschaftliche und klimatische Härte zurückzuführen, die sich zwischen 1450 bis 1750 abspielte – zu jener Zeit kam bei der Bevölkerung ein starker Hexenglauben auf.

Schutzmechanismus gegen Dämonen und Unheil

Der Mensch stellte bösen Geistern und Hexen mit grimmigen Tier-, Teufel- und Menschenfratzen, Ungeheuern sowie Fabelwesen aus Stein oder Holz ein Gegengewicht entgegen. Böse Geister und dunkle Mächte sollten so milde gestimmt werden – ihnen wurde damit quasi symbolisiert, dass sie auf die Gebäude und die darin wohnenden Menschen nicht neidisch zu sein brauchten. Ob auch wirklich alle „bösen Hexen“ von den grimmigen Gorgonenköpfen in Waiblingen in die Flucht geschlagen wurden, lässt sich im Nachhinein leider nicht beweisen☺. Gleichzeitig wurden die Bewohner durch Neidköpfe vor „bösen Blicken“ bewahrt, die als schlechtes Omen galten. Stillende Mütter wären nach einem bösen Blick angeblich nicht mehr in der Lage gewesen, die Milch an den Nachwuchs weiterzugeben. Auch für das Wachstum von Säuglingen hätte ein böser Blick negative Folgen nach sich ziehen können.
Als potenzielles Gegenmittel gegen böse Blicke wurde die gebleckte Zunge als Drohgebärde eingesetzt. Während Neidköpfe – ähnlich wie die klassische Vogelscheuche – ihre abschreckende Funktion seit jeher „nur“ statisch erfüllen können, geht es bei der Dämonenverbannung in der schwäbischen Fasnacht dynamischer zur Sache. So versucht der Mensch auch im Web 2.0-Zeitalter mit Masken aus der heidnischen Zeit den bösen Dämon bei Fasnachtsumzügen zu vertreiben.

Das „Böse“ steckt und lauert überall

Ein Haus mit Neidkopf konnte früher einiges über den Gebäudestatus und den (emotionalen) Status seiner Bewohner verraten. Neidköpfe stellten Hausmarken dar, die Fremden u.a. als Erkennungszeichen dienten. Wer an seinem Haus keine grimmige Fratze anbrachte, sondern z.B. einen ästhetischen Frauenkopf, signalisierte damit seinen Wunsch, das Haus mit Schönheit zu füllen – schöne Frauen bzw. gewaschene Männerhände waren daher stets willkommen! Neben Löwenköpfen, Gorgonenmasken und freundlichen Gesichtern gibt es in Waiblingen noch Neidköpfe, die Soldatengesichter, Misch- und Fabelwesen sowie wilde Männer mit bartigen Gesichtern zeigen. So präsentiert sich dem Besucher in der Zwerchgasse ein ganz seltsames Fabelwesen, dass einen Menschenkopf mit Flossenschwanz darstellt. Neidköpfe wurden früher meist an der Westseite von Gebäuden angebracht, da sich im Volksmund hartnäckig das Gerücht hielt, dass sich die meisten Dämonen bevorzugt in dieser Himmelsrichtung aufhalten würden. Weitere Neidköpfe im Remstal findet der „Maskenfan“ bzw. Geschichtsinteressierte im Teilort Beinstein. Auch die Außenfassade der Palmschen Apotheke in der Nachbarstadt Schorndorf – einem der bekanntesten Fachwerkgebäude im süddeutschen Raum – ziert ein eindrucksvoller Neidkopf.

Auch an den Außenwänden und Türmen einiger alter Dorfkirchen in Süddeutschland prangen Steinfratzen zur Dämonenabwehr – so z.B. im Hohenloher Land. So wird vermutet, dass es sich bei einem Steinkopf am Turm der Bartholomäuskirche in Beimbach um ein in Stein gemeißeltes Ritual zur Geistervertreibung handeln. Heimatforscher und Historiker beschäftigt die Frage, ob die Steinfratzen im Hohenloher Land nicht auch keltischen Ursprungs sein könnten – damit wären diese viel älter als z.B. die Neidköpfe in Waiblingen. Bei den Neidköpfen an den Kirchen im Hohenloher Land vermuten die Experten inzwischen, dass diese auch Versuchungen und Monster charakterisieren könnten, die den Weg ins Paradies erschweren. Durch die Darstellung als heidnische Götter in den Kirchenmauern könnte im wahrsten Sinne des Wortes auch in Hohenlohe „zementiert“ worden sein, dass die Kirche letzten Endes doch über viel mehr Macht verfügt als alte Götzenbilder.

Neid ist fehl am Platze

Neidköpfe sind oft nicht größer als 20-60 Zentimeter. Trotz seiner aber meist überschaubaren Größe reicht dem kleinen Gorgonen-Neidkopf in der Waiblinger Altstadt seit eh und je eine kleine Nische an der Fachwerkfassade aus, um Angeber schon von weitem zu „erkennen“. Der “kleine“ Neidkopf streckt dank Jahrhunderte langem geschulten Blick daher schon einmal in weiser Voraussicht dem arroganten Schnösel mit dem Sportflitzer die Zunge heraus! Aktuell steht dem weisen Gorgonen-Neidkopf mit der Pop-Sängerin Shania Twain durchaus eine (potenzielle) „Schwester im Geiste“ zur Seite – schließlich lässt diese sich auch nicht von Äußerlichkeiten besonders beeindrucken. Dies untermauert sie ihrem gorgonischen „Mauerkumpel“ mit der genauso ironischen wie bekannten Textzeile „Okay, so you've got a car – that don't impress me much“.

So gilt nicht nur im Mittelalter, sondern auch heute noch das (ungeschriebene) Gesetz: Blender haben in Häusern mit Neidköpfen an der Außenfassade bzw. bei selbstbewussten Frauen keine Chance – die Tür bleibt zu! Dass aber Neidköpfe auf Dauer wieder eine Chance in historischen Ortskernen haben, liegt an der ehrenamtlichen Arbeit von Heimatforschern. Aber auch an der liebevollen Restaurierung von Menschen, die sich bei ihrem Außeneinsatz an Fachwerkfassaden von nichts blenden lassen – auch nicht von starken Sonnenstrahlen im Sommer.

Text und Fotos: Andreas Scholz

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