Neuer Schub für die Solarenergie durch Farbstoff-Zellen?

Die Produktion von Strom durch Sonnenenergie ist immer noch teuer. Der breite Einsatz von Farbstoffsolarzellen könnte Solarenergie spottbillig machen.

In einer energiehungrigen Welt wie der unseren, hofft der Chemiker Professor Michael Grätzel, Solarzellen durch die Nachahmung der pflanzlichen Photosynthese erschwinglicher zu machen. Schon seit den späten 1980er Jahren ist sein Name untrennbar mit einer Erfindung verbunden, die als Revolution unter den erneuerbaren Energien bejubelt wurde.

Künstliche Photosynthese mit Farbstoffsolarzellen
Die Farbstoffsolarzellen (dye-sensitive solar cells - DSSC), die zu Ehren ihres Erfinders Grätzel-Zellen getauft wurden, sind transparente photovoltaische Zellen, inspiriert durch die Art, wie Pflanzen Energie erzeugen: die Photosynthese. Künstliche Photosynthese ist ein Ausdruck, der häufig benutzt wird, um diese Technologie zu beschreiben. Der Erfinder, Professor Grätzel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (École polytechnique fédérale de Lausanne, EPFL) hat eine beeindruckende Liste von Auszeichnungen vorzuweisen, einschließlich eines Millennium-Preises, der weltweiten Top-Auszeichnung in Technologie. Der Medienkonzern Thomson Reuters führte ihn 2015 als einen der einflussreichsten Technikexperten. Als die ersten kommerziellen DSSC’s auf den Markt kamen, wurde Professor Grätzel in einem Interview mit dem europäischen Energiespar-Projekt R2CITIES über seine Arbeit und seine zukünftige Sicht auf die Produktion von Sonnenenergie befragt.

Was ist der Unterschied zwischen einer konventionellen Solarzelle und einer Grätzel-Zelle?
Traditionelle Photovoltaik-Zellen bestehen aus Siliziumkristallen. Es ist ein Festkörper-System basierend auf Halbleitern, ähnlich den Transistoren in Computern oder Radios. Wenn Licht auf das Silizium trifft, produziert es Elektronen und funktioniert auch als Leiter für sie. Die Bewegungen der Elektronen erzeugen elektrischen Strom. Die Farbstoffsolarzellen dagegen, imitieren den natürlichen Prozess der Photosynthese durch Farbstoffe, die Licht einfangen und Strom in einem halbflüssigen Gel erzeugen, genau wie Blätter es machen.

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Was sind die Vor- und Nachteile der Farbstoffsolarzellen?
Unter Standard-Bedingungen sind sie immer noch weniger effizient als Siliziumzellen. Dennoch, sind sie bei Bewölkung und diffusem Licht dreimal effektiver, was sie ideal für die Innenbenutzung macht, sogar bei künstlichem Licht.
Grätzel-Zellen sind auch transparent und können in vielen Farben hergestellt werden, so dass man normales Fensterglas durch farbiges Glas ersetzen kann, das Elektrizität erzeugt. Sie schaffen einen Markt für viele neue Anwendungen.

Wo wurden sie bereits eingesetzt?
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G2E, eine weitere Firma aus der Schweiz, baute eine riesige DSSC-Installation für den australischen Pavillon auf der Weltausstellung EXPO 2015 in Mailand. Meine Frau und ich haben sie letzten Sommer besucht. Es war unser Geburtstag, wir sind am gleichen Tag geboren, und sie ist außerdem Wissenschaftlerin in meinem Team. Wir sahen »unsere« Solarpaneelen die italienische Sonne einfangen und sie in Elektrizität umwandeln, um ein Auto aufzuladen. Es war ein sehr bewegender Moment für uns beide.

Wer besitzt die Patente für diese Technologie?
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Die Patente werden auf einer nicht-exklusiven Basis an Unternehmen lizenziert
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Die französische Regierung hat kürzlich ein Projekt angekündigt, 1.000 Straßen-Kilometer mit Solarzellen auszustatten. Was halten Sie davon?
Das scheint mir eine verrückte Idee. Die Paneele werden Schutz benötigen, wenn Autos und Lastwagen über sie hinweg fahren. Ich vermute, dass alleine die Unterhaltskosten schon unerschwinglich sind. Ist es nicht einfacher, viele Solarfelder zu machen?

Sollten Entscheidungsträger nicht mehr auf die Durchführbarkeit ihrer Projekte achten, da sie sonst den gesamten Sektor gefährden könnten?
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Wie belastend sind Farbstoffsolarzellen für die Umwelt?
Farbstoffsolarzellen verbrauchen weniger Material als Silizium. Das Glas und die Farbstoffe können leicht recycelt werden; in diesem Sinne ist diese Technologie sehr einfach und versöhnlich. Viele Farbstoffe werden aus Obst und Gemüse extrahiert. Wir haben sogar Chlorophyll benutzt und es funktionierte unglaublich gut.
Wir zeigen oft Schulkindern, wie man DSSC’s mit Himbeersaft herstellt und sie lieben es. Es ist eine Technologie mit großem Do-it-yourself-Potenzial.

Gibt es viele neue Technologien für billigere Solarzellen?
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Wie wichtig war Ihr Hintergrund als Chemiker für diese Entdeckung? Wäre es anders gewesen, wenn Sie Physiker oder Ingenieur gewesen wären?
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Sie haben viel Zeit darauf verwendet, Ihre Arbeit der breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Gibt es eine besondere Botschaft, die Sie vermitteln wollen?
Ich versuche, das Gefühl meiner Arbeit zu vermitteln. Ich sage den Leuten, dass die Natur wundervoll ist. Systeme wie Photosynthese sind so hoch entwickelt, dass wir sie nicht vollständig imitieren können, aber wir können lernen.
Wir lernten, Moleküle zu benutzen, um Sonnenenergie einzufangen und sie machen die Arbeit für uns. Ich denke, das ist einfach fantastisch.

Quelle: European Research Media Center

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Text: Angelika Lensen
Fotos: Bildagentur Zoonar