Flüchtlinge - „Wenn der Krieg vorbei ist, wollen wir nachhause“

Ein Unternehmer, ein junger Boutiqueverkäufer und ein Student sprechen über ihre Schicksale und ihre beschwerlichen Wege nach Deutschland.
Flüchtlinge

„Wenn der Krieg vorbei ist, wollen wir nachhause“

Ein Unternehmer, ein junger Boutiqueverkäufer und ein Student sprechen über ihre Schicksale und ihre beschwerlichen Wege nach Deutschland.

Von Michi Jo Standl

Während in der gesamten EU Politiker über den Umgang mit den Menschen, die in Europa Zuflucht suchen, debattieren, wollen diese nur eines: Sicherheit und ein besseres Leben. Drei Geflüchtete sprechen über ihre Wege nach Deutschland, die unterschiedlicher nicht sein können, aber den gleichen Ausgangspunkt haben: Krieg, Zerstörung und Gewalt.

Zigarettenlänge zur letzten Etappe
Der 17 Jahre alte afghanische Student Mansoor steht am Gleis 11 des Saarbrücker Hauptbahnhofs und wartet auf den Zug nach Lebach, einem Städtchen etwa 30 Kilometer von der saarländischen Hauptstadt entfernt. Dort befindet sich die Landesaufnahmestelle. In der Hand hält er die Anlaufbescheinigung der Bundespolizei, die ihn eine Stunde zuvor aufgefriffen hat – ein schlichter Zettel mit Foto, der sagt: „Jetzt bist du in Sicherheit!“. Elf Monate lang sei er unterwegs gewesen, erzählt er – zu Fuß von Afghanistan über die Türkei nach Griechenland, mit dem Schiff nach Italien.

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Auf der Flucht entführt
Die Syrer Osama Kharbatli (50) und Ahmad Khalil (25) haben die ersten Registrierungformalitäten hinter sich, konnten die Landesaufnahmestelle verlassen. Sie belegen intensive Deutschkurse, werden vom Jobcenter auf ein eigenständiges Leben vorbereitet. Ihre Lebensgeschichten und die beschwerlichen Wege nach Deutschland sind komplett unterschiedlich, haben aber das gleiche Ziel: In Sicherheit und Frieden leben.

Ich treffe Ahmad, Osama und dessen Familie im Haus im ländlich geprägten Nalbach, in dem die Kharbatlis jetzt wohnen. Die Gastfreundschaft macht sich bereits unterhalb der Treppe zur Haustür breit. Osamas Frau lässt mir die Wahl zwischen Kaffee und Tee. Ich entscheide mich für Kaffee, schwarz ohne Milch und Zucker. „Ah, arabisch schwarz“ wird gescherzt. Dieser kleine Satz löst in mir eine gewisse Angst vor einer Kultur, die ich bis dato nicht gekannt habe, ohne weiteres Zutun auf. Das Gebäude hat der Besitzer renoviert und der Gemeinde vermietet.

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Auf der Fahrt von Aleppo nach Beirut geschieht das Unfassbare. Bei Homs, einer syrischen Stadt kurz vor der libanesischen Grenze, wird er entführt. Unbekannte verlangen Lösegeld für die Freilassung des Unternehmers. Für Osama ist heute klar: Die Tat war nicht politisch motiviert. Das waren Kriminelle, Wegelagerer, denen es nur um sein Geld geht. Der Bruder des ehemaligen Firmenchefs überbringt den Entführern umgerechnet 40.000 Euro. Nach zwei Tagen wird Osama freigelassen. Er kann seine Reise fortstetzen. Von Beirut aus fliegt er schließlich nach Warschau, verbringt vier Tage in Polen, bis er seine Reise nach Deutschland mit dem Zug fortsetzen kann. 14 Monate ist er jetzt im Saarland. Bereits nach drei Monaten konnte seine Ehefrau mit dem Sohn und der Tochter nachkommen. Die Kinder gehen in Nalbach zur Schule, haben sogar schon saarländische Freunde gefunden.

Von der Familie getrennt
Ahmad arbeitet in Aleppo in einer Boutique als Verkäufer, als sich er und seine Familie entscheiden, nach Europa zu flüchten. Der erste Weg führt in die Türkei. Dort trennen sich die Wege. Da das Geld nicht für alle reicht, bleibt Ahmads Mutter in der Türkei, wo sie heute noch ausharrt. Seinem Vater gelingt gemeinsam mit Ahmads zwei Schwestern die Reise über die afrikanische Mittelmeerküste bis nach Marokko, von wo aus sie nach Spanien übersetzen. Schließlich landen sie in Belgien, wo das Trio zum ersten Mal auf europäischem Boden registriert werden und deshalb heute noch dort leben. Ahmad macht sich währenddessen zu Fuß über Georgien auf nach Russland. Eine fatale Entscheidung.

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Nach fünf Monaten im menschenunwürdigen Camp wird der junge Syrer von Schleusern angesprochen. Er gibt den Kriminellen eine Adresse in Saarbrücken. Sein Onkel wohnt hier. Eine lange Reise auf der geschlossenen Ladefläche eines Lieferwagens beginnt. Zusammen mit etwa acht bis zehn anderen Flüchtlingen, darunter Kinder, wird er nach Deutschland gebracht. 300 Euro bezahlt Ahmad für die denkwürdige Reise. Der Weg in die Landesaufnahmestelle Lebach ist für Ahmad nur mehr reine Formsache. Er hat es geschafft.

Mansoor steht am Anfang seines Weges in die Integration. Osama spielt sich bereits mit dem Gedanken, mit seiner Familie in die Heimat zurück gehen, falls der Krieg endlich ein Ende findet. Ahmad hat vor, in Deutschland zu bleiben, weil er in Europa für seine Zukunft bessere Chancen sieht. Er hofft, dass seine Familie bald wieder zusammen ist, egal wo.

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Bildtext: Ahmad Khalil (links) und Osama Kharbatli mit seiner Familie hoffen auf ein besseres Leben.
Foto: Standl
Text: Standl
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