Wizzair wünscht einen angenehmen Flug!

Wie aus einem Sparpreis ein Kampf gegen die Windmühlen der Bürokratie wurde
Wizzair wünscht einen angenehmen Flug!

Oder: Wie aus einem Sparpreis ein Kampf gegen die Windmühlen der Bürokratie wurde


Die Mail kommt wie gerufen, eine Einladung zu einer Reiseveanstalter-Tagung im wunderschönen Lemberg, dem Florenz des Ostens. Das Rahmenprogramm ist bunt, eine Fahrt mit der Schmalspurbahn nach Dolyna, dem Zentrum der ukrainischen Holzindustrie inklusive, ansonsten Kultur und Kontaktpflege pur, bei Stuck und Sekt. Eigentlich ist es für Reiseveranstalter gedacht, als Journalist bin ich aber ebenso willkommen, wie mir Volodymyr von Veranstalter „Lemberg-Tours“ versichert, „…aber über Stadt schön schreiben“. Jetzt muss nur noch ein günstiger Flug her.

Die Angebote von Lufthansa und Austria Airlines sind deutlich oberhalb der Schnäppchengrenze, die Teilnahmelust sinkt wieder, aber da, die Rettung kommt vom Billiganbieter „Wizzair“. 90,- € inklusive aller Steuern und Gebühren ab Dortmund, sogar mit Gepäck, das passt. Sechs Wochen vor Reiseantritt darf die Vorfreude beginnen. Sie dauert indes nur zwei. Am 8.3.2011 geht von Wizzair per Mail die Stornierung ein. Die Gründe liefert Volodymir nach, der Flughafen ist wegen Bauarbeiten vorübergehend dienstags geschlossen. Deshalb schlägt er die Verlegung des Treffens um einen Tag nach vorne vor. Nervöses Mausklicken fördert bald zutage, dass es für diesen Tag keine günstigen Flüge mehr gibt, der nächst frühere Flug schrammt an meiner übrigen Terminplanung. Es macht sich nun doch eine gewisse Unlust breit, ich hake die Angelegenheit innerlich wieder ab und verlinke mich zu der in der Wizzair-Mail angegebenen Service-Seite. Es gibt sogar eine 0180er Nummer, man kann also immerhin ohne Telefonsex-Tarif dort anrufen, und anstelle eines Tonbandes meldet sich tatsächlich ein Wesen mit Körpertemperatur. Trotzdem soll das nun Kommende zu einer Therapie gegen zu niedrigen Blutdruck werden.

Das klare Anliegen, dass die Flugkosten rückerstattet werden sollen dringt wie es erst einmal scheint noch durch. „Gehen Sie auf der Website zu „Beschwerde/Anliegen“ und geben Sie dort unter Angabe der Flugnummer ihren Rückerstattungswunsch ein“. Dem Versendeklick folgt eine automatische Empfangsbestätigung und nach ca. 2 Wochen eine weitere Mail. „Die Bearbeitung Ihres Anliegens erfolgt gemäß EG-Verordnung 161/2004 und den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Unser Kundendienstbeauftragter wird sich demnächst mit Ihnen in Verbindung setzen.“ Es vergehen wieder zwei Wochen, ohne dass irgendetwas passiert, dann maile ich, dass sich der Kundendienstbeauftragte viel Zeit und Mühe sparen kann, wenn Wizzair mir quasi als Ausdruck buddenbrookscher Ehrbarkeit einfach nur den Flugpreis auf das Visa Konto zurück überweist. Alternativ füge ich mein Girokonto bei, samt IBAN und BIC. Weil ich von Wizzair nur No-Reply-Mails erhalte, kommt meine Mail prompt wieder zurück.

Dann, einen Tag später und fünf Wochen nach der Stornierung geht eine weitere Mail aus Budapest ein. Im Anhang ist ein Antragsformular, eine kyrillische Buchstabensuppe nebst englischer Übersetzung. Dieses ist auszufüllen und per Post an eine Adresse in Kiew zu schicken. Beizufügen sind ferner eine Bankbestätigung über die Zahlung der Buchung (Kopie), eine Buchungsbestätigung, die Kopie des Reisepasses (untergeschrieben und beglaubigt), Bestätigung über die ukrainische Steuernummer (bei nicht-ukrainischen Staatsbürgern ist es keine Pflicht) sowie die Bankdaten: Registrationscode der Bank (MFO), Name der Bank, SWIFT/BIC-Code der Bank, Steuernummer des Kontoinhabers, Kontonummer (IBAN), Name des Kontoinhabers, Daten der Zahlung.

Ein erneuter Anruf bei der Servicenummer verläuft in sachlich konstruktiver Atmosphäre. „Die Abteilung für Kostenerstattung sitzt in Kiew, da haben wir leider keinen Einfluß drauf, schönen Tag noch.” Es beginnt sich doch eine gewisse Ratlosigkeit breit zumachen. Was tun? Einfach die 90,- € in den Wind schreiben, sie als Preis für eine biertischfähige Anekdote verbuchen? Da kommt mir eine Idee. Warum nicht die Angelegenheit journalistisch verwerten, eine Reportage darüber schreiben? Aus einer der Antwortmails treibe ich eine Fax-Nummer aus Budapest auf, Mails gehen ja nicht. Ich schreibe also, dass ich darüber schreiben will und bitte höflich, mir bei der Recherche ein wenig behilflich zu sein. Zwei Tage später kommt erlösende Botschaft. Der Kaufpreis sei auf das Visa-Konto überwiesen worden, mit dem Zahlungseingang sei in den nächsten 5-7 Tagen zu rechnen. „Leider müssen bei Erstattungen von WU-Flugpreisen die ukrainischen Gesetzte und die Geschäftsordnung der WAU eingehalten werden. Wir hoffen, dass Sie Ihr Vertrauen an uns trotzdem nicht verloren haben”.

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Das war es dann wohl, ich beschliesse von meinem Grundrecht auf Resignation Gebrauch zu machen. Nach einem solchen heldenhaften Kampf tut die Niederlage einfach gut. Der Opferstatus ist rechtschaffen erworben, wie eine Platzkarte auf einem Riemschneider-Altar. Das Leben geht weiter, allmählich kehrt der Abstand ein und weitet sich aus. Es gibt neue Themen, neue Artikel und ausserdem habe ich was zum Weitererzählen. So ist die Sache denn schon so gut wie vergessen, als mein eher flüchtiger Blick auf den nächsten VISA-Monatsauszug an einer magischen Zahlenkombination hängen bleibt. 82,90 €. Fast vier Monate nach der Stornierung, it´s a free world.

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Michael Lösch www.fuehrwort.de
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