Rollabuawa - Willkommener Lärm in der Stillen Nacht

Willkommener (Kuhglocken-)Lärm in der Stillen Nacht

Schaurige Gesellen machen am Heiligen Abend viel Krach im Hohenloher Land

Am Heiligen Abend ziehen nach einem alten Brauch die maskierten Rollenbuben auf der Ilshofener Ebene von Haus zu Haus, um böse Geister lautstark zu vertreiben und Süßigkeiten zu erhaschen. Das traditionelle Outfit der Rollenbuben: Spitzer Hut, Opas weißes Nachthemd, Wurzelstock und Kuhglocken.

Als „Rollabuawa“ werden in Hohenloher Mundart die schaurigen Gesellen bezeichnet, die am Weihnachtsabend rund um die Gemeinde Wolpertshausen und der Kleinstadt Ilshofen im Landkreis Schwäbisch Hall unterwegs sind. Der Umgang der Rollenbuben ist seit mehr als hundert Jahren belegt, wird in den evangelischen Ortschaften des einstigen Amts Ilshofen ausgelebt und geht vermutlich auf einen viel älteren heidnischen Brauch zurück. Es gibt einige Chronisten,die vermuten, dass der Brauch möglicherweise erst Ende des 19. Jahrhunderts aufkam und eine willkommene Abwechslung zum anstrengenden Alltag der Bauernbuben darstellte.

Die Landwirtschaft spielt auch im digitalen Zeitalter in den Teilorten von Wolpertshausen und Ilshofen eine wichtige Rolle. So haben sich Teilorte der Stadt Ilshofen wie Unteraspach, Eckartshausen oder Oberaspach ihren dörflichen Charakter bewahrt. In „Aspich“ (Ober-/Unteraspach) und Eckartshausen heißen die vermummten Weihnachtsgestalten bis heute übrigens Rollesel – in den anderen Teilorten von Wolpertshausen und Ilshofen ist der Begriff „Rollenbuben“ geläufiger.

Unterschiede gibt es bei dem Hohenloher Weihnachtsbrauch ebenfalls bei der Maskerade und der Zusammensetzung der Gruppen. Während in Wolpertshausen seit jeher nur Buben von der fünften bis neunten Klasse bei den Rollenbuben mitmachen, dürfen in Ilshofen sowohl Jungen als auch Mädchen im Alter von 10 bis 15 Jahren dabei sein. Die Rollenbuben in Ilshofen trafen sich einst am Heiligen Abend im sogenannten „Grauwespele“.

Seit vielen Jahren ist es beim Rollenbubenmarsch in Ilshofen üblich, dass auch die Konfirmanden, die es wünschen, besucht werden. Die Rollenbuben in Ilshofen tragen einen zuckerhutförmigem Rollenhut, an dem viele Papierschnipfel (hohenlohisch=Flenderlich) herunterhängen. Auch in Wolpertshausen-Reinsberg liefen in geburtenschwachen Jahrgängen zuletzt auch schon Mädchen bei den Rollenbuben mit.

Direkt in Wolpertshausen hingegen ist der Rollenbubenbrauch seit eh und je Männer- beziehungsweise Jungssache. In den vergangenen Jahren waren Jonas Hirschmann, Steffen Leins und Leon Köhler die Anführer der Wolpertshausener Rollenbuben. Am 24. Dezember 2015 wird allerdings nur noch der 15-Jährige Leon Köhler dabei sein. Der Brauch ist in Wolpertshausen nur Buben von der fünften bis zur neunten Klasse vorbehalten“, erläutert der Zehntklässler Jonas Hirschmann. Fünf Jahre lang hatten sich die drei Anführer mit den anderen Rollenbuben in der Vorweihnachtszeit im Stall der Familie Leins in Wolpertshausen versammelt und sich bei Lebkuchen, Cola und Limonade auf den großen Einsatz am Heiligen Abend vorbereitet.

Bereits der Vater und Großvater von Steffen Leins gingen als Rollenbuben bei Wind und Wetter von Tür zu Tür. „Wir mussten früher am Heiligen Abend oft durch knietiefen Schnee stapfen“, so Heinrich Leins lachend. Die strengen Winter in Hohenlohe-Sibirien sind inzwischen rar geworden. „Die Rollenbuben müssen heute allerdings längere Strecken bewältigen als wir damals, da Wolpertshausen im Laufe der Zeit stark gewachsen ist“, meint Heinrich Leins. In seiner Kindheit gab es beispielsweise weder die Kochertalbrücke noch die Autobahn A 6.

Auch der von dem bekannnten Landwirt Rudolf Bühler initiierten „Wallfahrtsort für Hohenlohe in Sachen Genuss“, sprich den Regionalmarkt Hohenlohe der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) existiert erst seit einigen in Wolpertshausen.

In der Adventszeit weisen die Wolpertshausener Rollenbuben unter anderem den örtlichen Nachwuchs ein, der zum ersten Mal mitmacht. „Wir erklären die wichtigsten Kommandos und teilen rechtzeitig die Gruppen ein, damit die Wegstrecke am Heiligen Abend allen klar ist“, erklärt Leon Köhler. Auch die charakteristischen Rollenhüte werden in der Adventszeit gefertigt. Zum Basteln der Spezialhhüte verwenden die Rollenbuben unzählige Papierstreifen aus alten Schulheften. „Die kleben wir mit Mehlpappe fest“, verrät Leon Köhler. Alte Iso- und Gummimatten schneiden die Buben ebenfalls zurecht, um dem Rollenhut seine Zuckerhutform zu verleihen.

In den vergangenen Jahren stand oft oft Max Leiser Modell – schließlich muss vor dem großen Einsatz am Heiligen Abend das charakteristische Rollenbuben-Outfit perfekt sitzen. So werden die Gesichter der Rollenbuben mit Hilfe eines angekokelten Weinflaschenkorken schwarz angemalt. „Unsere Lehrer würden uns allein mit dem rußigen Gesicht kaum wiedererkennen“, sagt Max Leiser mit einem verschmitzten Lächeln. Dazu kommt noch der zuckerhutförmige Hut aus weißen Papierfransen. Am Hals der Buben baumeln rund ein Dutzend kleiner Glocken. Die Kugelglocken, die einst an Pferden, Kühen und Ziegen auf den umliegenden Gehöften hingen, sind auf Bändern aus Leder oder Flachs aufgenäht.

Der Name der Rollenbuben rührt von den Schellen: die kugeligen Schlittenglocken heißen in Hohenloher Mundart „Rollen“. „Jetzt noch einen Wurzelstock in der rechte Hand und fertig ist die typische Wolpertshausener Rollenbuben-Tracht“, bekräftigt Leon Köhler. In den anderen Teilorten von Wolpertshausen und Ilshofen können Material und Form der Rollenhüte leicht variieren. Besonders voluminös fallen beispielsweise die Rollenhüte in Oberaspach aus, die bis zu einem Meter lang werden können. Die Oberaspacher Rollenbuben tragen zudem Bärte aus Hanf. In der Stadt Ilshofen führen die Rollenbuben auch Peitschen mit, die sie ordentlich knallen lassen.

Bei den Rollenbuben erfüllen die Kuhglocken an Weihnachten einen alten heidnischen Brauch. „Die brauchen wir am Heiligen Abend zum Krach machen, um die bösen Geister aus den Häusern zu vertreiben“, erklärt Max Leiser. Am Weihnachtsabend ziehen die Rollenbuben bei Einbruch der Dämmerung in Kleingruppen durch Wolpertshausen, um an die Türen zu klopfen und ordentlich Krach mit den Kuhglocken zu machen. Als Belohnung für die lautstarke Geistervertreibung erhoffen sich die Rollenbuben von jedem Haushalt ein paar Süßigkeiten, ein „Gutsle“ (Plätzchen) oder eine kleine Geldspende.

In der Gruppe marschiert der Anführer vorne weg. Der Treiber reiht sich am Schluss ein und versucht die Gruppe zusammen zu halten – hierbei bedient er sich dem Wurzelstock als Hilfsmittel. Während der stundenlangen Tour durch den Ort dürfen traditionell nur die Anführer reden und Kommandos geben, während die anderen Rollenbuben schweigen und den Anweisungen folgen müssen. Der freiwillige „Gehorsam“ wird am 1. Weihnachtsfeiertag belohnt. „Die Süßigkeiten teilen wir dann untereinander fair auf“, sagt Leon Köhler lachend. „Für viele Wolpertshausener fängt Weihnachten erst dann an, wenn die Rollenbuben da waren“, betont Leon Köhler. Spät am Heiligen Abend kehren die Rollenbuben von ihrer Tour zurück. „Zu Hause warten alle mit der Weihnachtsfeier und dem Festessen, bis wir zurückkommen“, so Max Leiser.

Text: Andreas Scholz
Fotos: Mark Weigert, Andreas Scholz

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