Experteninterview Bau-/Immobilienwirtschaft

Immobilien gelten vermehrt als begehrte Altersvorsorge und Geldanlage
Experteninterview Bau-/Immobilienwirtschaft

Immobilien gelten vermehrt als begehrte Altersvorsorge und Geldanlage
Die Mieten in deutschen Städten steigen sprunghaft an. Dass das Wohnen in der Stadt nicht nur für Singles und junge Familien, sondern auch für ältere Menschen attraktiver wird, bestätigt der Immobilienwirtschaftsexperte Hanspeter Gondring.

Zur Person:
Hanspeter Gondring (61) ist Studiengangsleiter für Immobilienwirtschaft/Versicherung sowie Studiendekan des Studienzentrums Finanzwirtschaft an der Fakultät Wirtschaft/Studienzentrum Finanzwirtschaft der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart. Er studierte Wirtschaftswissenschaften/-pädagogik sowie Philosophie unter anderem an den Universitäten in Trier, Mainz und Frankfurt. Er promovierte an der Universität Hohenheim.

Große Bauträger erschaffen in Städten derzeit viele „kleine Siedlungen“. Warum zieht es den Mensch wieder in die Stadt?

Gondring: Diese Entwicklung hängt in erster Linie mit dem gesellschaftlichen Wandel zusammen. Singlehaushalte beziehungsweise Ein-Personen-Haushalte nehmen immer mehr zu. Singles suchen Wohnungen in der Stadt, da sie dort Spaß sowie ein abwechslungsreicheres Unterhaltungs- und Kulturangebot vorfinden. Sie schätzen in der Stadt die kurzen Wege zwischen Arbeit und Wohnung. Außerdem ist das „soziale Kapital“ in der Stadt höher als auf dem Land. Es ergeben sich einfach mehr belastbare soziale Beziehungen – zum Beispiel zu Arbeitskollegen und Freunden. Auch junge Familien zieht es aus diesen Gründen zunehmend in die Städte oder deren Randzonen.

Wird es zukünftig auch mehr Senioren geben, die stadtnah leben wollen?

Gondring: Auch die „jungen Alten“ – die so genannten „Best Agers“ – drängt es aufgrund des großen kulturellen Angebots in die Stadt. In der Regel hat die Generation 50plus schon Karriere gemacht und kann sich das Leben und Wohnen in der Stadt leisten. Auch die gerade in Rente gegangene Generation – die so genannte „Ayurveda-Generation“ – reist gerne, ist unternehmungslustig und will noch viel erleben. In der Stadt tobt das Leben erfahrungsgemäß mehr als im ländlichen Raum. Auch Hochbetagte zieht es mittlerweile in die Städte, weil dort die medizinische Versorgung und das Pflegedienstnetz dichter sind als auf dem Land.

Die finanzielle Lage in manchen EU-Ländern bleibt instabil. Ist ein Wohungskauf daher aktuell eine sinnvolle Geldanlage?

Gondring: Im Moment erleben wir eine Sondersituation aufgrund des derzeitigen extrem niedrigen Zinsniveaus, wodurch die Renditen im Wohnungsmarkt höher sind als im Kapitalmarkt. Aktuell können Hauskäufer durch höhere Tilgungsraten schneller den Hauskredit tilgen als noch vor wenigen Jahren. Durch die sehr gute und stabile Konjunkturlage bewerten die Menschen in Deutschland außerdem ihren Arbeitsplatz derzeit als ziemlich sicher und sehen insgesamt positiv in die eigene Zukunft. Unter dem Strich ist die direkte Investition in Wohnimmobilien in der heutigen Zeit und auf mittlere Sicht nicht nur eine rentable und wertstabile Anlage, sondern auch eine Anlageform mit einem sehr geringen Risiko.

Wie sehen Sie den Wohnungsmarkt der Zukunft – welche Alternativen gibt es beispielsweise für einkommensschwache Schichten?

Gondring: Gerade in der heutigen Zeit werde ich immer wieder darauf angesprochen, ob die niedrigen Zinsen und der Immobilienboom die Gesellschaft nicht noch mehr in Arm und Reich spaltet, wofür ich überhaupt keine Argumente kenne. Das Gegenteil ist der Fall. Denn gerade heute ist die Chance für Haushalte und Familien mit geringem Einkommen so groß wie noch nie dank dauerhafter Verdienstmöglichkeiten, gut geplanter Budgetierung und Immobilienerwerb in den etwas preiswerteren Randlagen durchaus den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Für Haushalte mit dauerhaft ungünstiger Finanzprognose dagegen ist es dringend erforderlich, ein ausreichendes Angebot an sozial gefördertem Wohnungsbau durch die Kommunen sicherzustellen.

Eine weitere Alternative auf dem Wohnungsmarkt bilden Mehrgenerationenhäuser. Sind sie ein Wohnmodell der Zukunft?

Gondring: Im Einzelfall vermag das funktionieren, aber ich sehe darin kein Wohnkonzept auf breiter Basis. Durch die Asymmetrie der Lebensphasen von Jung und Alt ist die Schnittmenge zwischen beiden Altersgruppen eher gering. Die ältere Generation ist in der „Erntephase“ und möchte die Früchte ihres Lebens „ernten“, während die jüngere Generation in der „Anbauphase“ ist und sich in der „rush hour“ ihres Lebens befindet. Auch die so genannten Alten-Wohngemeinschaften und Alten-Bauherrengemeinschaften sind eher Ausnahmekonzepte. Diese Altbaufrauen- oder Altbauherrengemeinschaften sind am Anfang euphorisch und stehen im Interesse der Medien und sobald dieses nachlässt und der Alltag eingezogen ist, kommt es oft zu Zerwürfnissen und Streitereien untereinander. Die Wohnmodelle werden auf lange Sicht die konservativen sein und auch ältere Menschen werden so lange in ihren Häuser und Wohnungen verbleiben wollen, so lange es irgendwie möglich ist.

Sehen Sie gegenwärtig weitere innovative Wohnkonzepte, die sich durchsetzen könnten?

Gondring: Es gibt zum Beispiel noch innovative Wohnkonzepte einer avantgardistischen Bevölkerungsgruppe, die die Bunker-Wohnung oder die Bürohochhauswohnung bevorzugt, aber das sind alles Wohnformen, die Ausnahmen bleiben werden. Was sich aber ändern wird, ist das Wohnumfeld. Städte werden anders als in früheren Jahrzehnten eher kleinteilig – das heißt auf Quartiersebene entwickelt. So ist heute ein durchdachtes Quartiermanagement ein guter Ansatz, um die Identifikation der Wohnbevölkerung mit dem eigenen Wohnquartier zu fördern. Denken Sie mal an Berlin-Kreuzberg. Seit dort Politiker gerade von den Grünen und von den Linken in attraktive Immobilien in die „Schmuddelecken“ gezogen sind, haben sie einen wahren Boom ausgelöst, den wir als „Gentrifizierung“ bezeichnen. Gerade diese Gentrifzierung auch in anderen Städten führt zu einer enormen Standortverbesserung mit einerseits dauerhaft steigenden Mietpreisen und Immobilienwerten und andererseits zu einer Verdrängung der ansässigen meist einkommensschwächeren Haushalte. Soziale Spannungen sind da vorprogrammiert und hier würde ich mir wünschen, dass die Kommunen diesen Prozessen nicht nur als Zaungäste zuschauen, sondern gesellschaftspolitisch ausgleichend eingreifen. Wir brauchen in Zukunft stabile Stadtquartiere mit ausreichender Nahversorgung, guter Infrastruktur, Bürgerbeteiligung, funktionierenden Nachbarschaften und ausreichendem kulturellen Angebot. Gerade diese funktionierenden Stadtquartiere sind die Eckpfeiler einer stabilen Stadtgesellschaft und wirken der heute zu beobachtbaren Entsolidarisierung der Stadtbevölkerung entgegen.

Was können ländliche Kommunen tun, um der aufkeimenden Landflucht vorzubeugen?

Gondring: Unter der Verödung von Landstrichen leidet nach der Wende nicht nur der Osten. „Shrinking suburbian areas“ – also die Landflucht – findet sich ebenfalls im Westen. Leere Schaufenster und geschlossene Ladengeschäfte mindern die Wohnungsattraktivität und begünstigen das Abwandern in urbane Metropolen. Die Bürgermeister in ländlichen Kommunen sollten sich auf die Stärken besinnen und außerdem in Regionen denken. Das Konkurrenzdenken zu angrenzenden Gemeinden oder das fieberhafte Mitmachen an Wettbewerben wie „Unser Dorf ist das schönste“ helfen nicht wirklich weiter. Die Natur, das landschaftliche Idyll, sozialer Zusammenhalt sowie günstige Grundstückspreise sind die großen Pluspunkte gegenüber den Großstädten. Ich will ein Beispiel geben, was Mut macht. Bei Leipzig befindet sich ein größeres Gebiet, das nach der Wende lange „tot“ war. Dann wurde damit begonnen, künstliche Seen anzulegen. Die dadurch „blühende Landschaft“ lockt mittlerweile nicht nur Angler, Segler und Naherholungssuchende an, sondern sorgt auch für neue Arbeitsplätze, da um die Seenlandschaft herum sich auch Hotels, Gastronomie, Geschäfte und ein bestimmtes Dienstleistungsgewerbe ansiedeln.

Interview und Fotos: Andreas Scholz
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