Feature oder Reportage?

05.07.2013

Wann ist eine Reportage eine Reportage?


"Sind das eigentlich Reportagen, die ich Ihnen geschickt habe?
Kann ich meine Themen auf Reportagen.de verkaufen?"


Foto: zoonar.de/895942 (Drizzd)Diese Frage haben wir in letzter Zeit häufiger gestellt bekommen: Eine berechtigte Frage, aber wiederum auch eine ohne große Auswirkung. Denn eines vorweg: Reportagen.de vermarktet Reportagen, Features, Interviews, Essays. Fotoserien und Fachartikel gleichermaßen. Für uns spielt nur eine Rolle, ob es eine Nachfrage nach einem Thema geben und ob es längerfristig angeboten werden kann. 


Wann ist eine Reportage denn nun eine Reportage?


Zuerst muss ich Ihnen gestehen, dass ich selber jahrelang Tier- und NaturREPORTAGEN verkauft habe, die streng genommen keine waren. Ich habe diese Themen meist zu Hause geschrieben und war nie persönlich vor Ort. Das wäre bei einer Serie wie "Naturparadiese der Erde" mit 20 bis 30 Folgen auch kaum möglich gewesen. Niemand kann mal eben für eine solche Serie ein Jahr lang rund um den Globus reisen, inkl. Regionen wie Antarktis, Lappland, Australien, Alaska, Mongolei oder Brasilien. Schon gar nicht bei den heutigen Honorarsätzen. Aber das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls war ich zumeist nicht persönlich am Ort des Geschehens. Gut, in einigen Fällen lagen mir äußerst lebhafte Augenzeugenberichte der Fotografen vor. So konnte ich den Eindruck einer "vor Ort Atmosphäre" mit echten integrierten Erlebnissen schaffen. Für den Leser liest sich das dann fast wie eine echte Reportage. Doch hätte ich dafür den Henri Nannen Preis in der Kategorie Reportage erhalten, so wäre der Aufschrei später groß gewesen. So war es zumindest, bei der Preisverleihung 2011. Der Spiegel-Autor René Pfister, hatte den Preis für sein Porträt über den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer erhalten. Sehr lebhaft schildert er in seiner "Reportage" wie Horst Seehofer in seinem Haus mit einer Modelleisenbahn spielt. Später stellte sich dann heraus, dass der Journalist niemals am Ort des Geschehens war und somit diese Szene nur "konstruiert" hatte. Daraufhin wurde ihm die Auszeichnung später wieder aberkannt. Es war das erste Mal in der Geschichte dieser Ehrung, dass ein Preisträger die Auszeichnung zurückgeben musste. Zum Glück habe ich diesen Preis also niemals für meine engagierten Naturreportagen erhalten. Dabei hätte ich ihn natürlich verdient gehabt. Aber Spaß beiseite und zurück zum Thema...

Das Problem mit dem Henri Nannen Preis 2011 verdeutlicht bereits, was eine echte Reportage auszeichnet: Im Mittelpunkt steht die anschauliche Schilderung eines betrachteten Erlebnisses, an dem der Autor seinen Leser unmittelbar, quasi wie durch die Augen einer Kamera, teilhaben lässt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Typus des „rasenden Reporters“ (Egon Erwin Kisch) geboren, der z.B. als Sensationsreporter oder Kriegsberichterstatter tätig war. Die frühen Reportagen dienten vor allem dazu, den Leser an entfernte und exotische Schauplätze zu versetzen. Heute geht es eher darum, soziale, institutionelle, manchmal auch räumliche Barrieren zu überwinden. Entscheidendes Merkmal einer Reportage ist der tatsachenbetonte Erlebnisbericht. Reportage heißt: "Informationen lebendig werden zu lassen und den Leser durch die Augen des Reporters sehen und miterleben lassen" (aus dem Buch "ABC des Journalismus"). Nun wissen wir also, was eine Reportage auszeichnet.

Wenn Ihre Beiträge keine Reportagen sind, was sind sie dann?


http://www.zoonar.de/3002339 (Nan)Hierfür gibt es mehrere Begriffe: Sachbeitrag, Artikel, Fachartikel oder eben: Feature. In der Regel sind es Features, die wir hier im Medienportal Reportagen.de anbieten. Features enthalten sowohl Merkmale einer Reportage als auch einer Dokumentation. Zur Definition des Features zitiere ich nachfolgend Dr. Michael Klemm von der TU Chemnitz im Fachgebiet Germanistik:

"In der journalistischen Praxis ist Feature oft ein Modewort ohne präzisen Inhalt. Berichte werden oft „angefietschert“ oder „verfietschert“. Es existieren dementsprechend sehr verschiedene Definitionen und Einordnungen des Genres: mal als „Nachrichten-Streiflicht“, mal auch als „das Gegenteil einer Nachricht“ oder als „Stimmungsbericht“. Sinnvoll ist es, das Feature funktional zu definieren: Feature ist ein Sammelbegriff für Verfahren, mit denen ein komplexes, abstraktes oder trockenes Thema durch sprachliche Effekte belebt und den Lesern näher gebracht werden kann". (..) "Hier ist der Journalist nicht nur als zuverlässiger Informant (wie beim Bericht) oder aufmerksamer Augenzeuge (wie bei der Reportage), sondern als geschickter Vermittler gefragt. Er soll schwierige Themen popularisieren, das heißt: erklären, interpretieren und zum Weiterdenken anregen. Die Maximen eines Features sind Anschaulichkeit, Bildhaftigkeit, Originalität des Zugangs und Informativität: Es geht um die umfassende Bearbeitung eines Themas aus mehreren Perspektiven."

Die bisher kürzeste Definition für Reportagen und Feature lautet: Das Feature macht ein abstraktes Thema anschaulich, im Zentrum steht hier das Typische. Die Reportage hingegen macht den Einzelfall zum Zentrum. Wohlgemerkt ist hier nur die Rede von schriftlichen Darstellungsformen. Im Hörfunk oder TV mag es andere Definitionen geben.

Müssen wir das Portal nun umbenennen? Natürlich nicht. Der Begriff "Reportage" ist derzeit noch weitaus verbreiteter und bekannter als der Begriff "Feature" und zudem im Volksmund weniger eng gefasst. Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass sogar die Redakteure und Chefredakteure der verschiedenen Verlage meine Beiträge als "Reportagen" bezeichneten.

Am Ende ist es auch nicht entscheidend, ob wir unsere Themen Feature oder Reportage nennen.  Wichtig ist vielmehr eine gründliche Recherche und die Leidenschaft für ein Thema. Wenn Sie Letzteres mitbringen, kümmern wir uns gerne um Ersteres. Wenn Sie Fotograf sind, übernimmt Reportagen.de für Sie  Schreibarbeit, Recherche und Vermarktung. Wenn Sie Journalist sind, fügen wir bei Bedarf Fotos und Grafiken zu Ihren Themen  hinzu, passen die Texte in Länge und Form an und vermarkten diese anschließend. Wenn Sie komplette Themen mit Fotos und Texten haben, erhalten Sie sogar 70% des Gesamthonorares und wir vermarkten Ihre Themen über unseren Redaktionsverteiler. So oder so, werden wir voneinander profitieren.

Text: Michael Krabs
Medienservice Reportagen.de
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