UKRAINE - Suche nach Identität und Gleichgewicht

Folgt man der Mehrheit der Sprachforscher, ist die Wortabstammung wohl im Begriff Grenzgebiet zu finden. Die Ukraine grenzt an Russland, Polen, die Slowakei, Weißrussland, Moldawien, Rumänien und Ungarn, außerdem an das Schwarze und das Asowsche Meer. Eine weitere mögliche Herkunft des Namens lautet Heimatland, in Abgrenzung zum sogenannten wilden Feld der turkstämmigen Reiternomaden.

Der Begriff Ukraine taucht zum ersten Mal im Jahre 1187 in Bezug auf das südrussische Fürstentum Perejaslaw auf. In der Folge findet er sich in alten Chroniken, die auch auf andere geografische Regionen der damaligen Rus verweisen, zum Teil weit außerhalb des heutigen Territoriums der Ukraine. So scheint der Konflikt dieses Landes ein uralter, beinahe traditioneller, in der Neuzeit nur aufbereiteter zu sein, ein Konflikt um die politische, wirtschaftliche und kulturelle Eigenständigkeit der Ukraine und um ihre Ost-West-Ausrichtung.

Der größte Teil des Landes liegt auf der Osteuropäischen Ebene, etwa fünf Prozent gehören zu Mittel- und Südosteuropa. Diese geographische Lage spiegelt das Fundament auch des heutigen politischen Konflikts wider. Dessen Ursprung reicht ins 8. und 9. Jahrhundert zurück, als sich Russland, Weißrussland und Gebiete der heutigen Ukraine zum ersten ostslawischen Staat, der Kiewer Rus, zusammenschlossen. Dieses Reich entstand durch Wikinger, die osteuropäische Flüsse befuhren, sich mit der slawischen Mehrheitsbevölkerung vermischten und in der Folge ein Handels- und Kriegsimperium aufbauten.

(..) Text an dieser Stelle gekürzt, liegt komplett vor!

Ab dem 16. Jahrhundert fielen Gebiete der heutigen Ukraine in den polnischen Einflussbereich. Im Osten wurde das Großfürstentum Moskau gebildet, das sich um anliegende Fürstentümer erweiterte, das tatarische Khanat Kasan unterwarf und damit zu neuer Größe erstarkte. Die Ukraine blieb Gebiet polnischer wie russischer, aber auch osmanischer Ansprüche. Die folgenden Jahrhunderte waren von blutigen Auseinandersetzungen der Rivalen um die Herrschaft geprägt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich auf dem Gebiet der heutigen Ukraine eine eigenständige nationale Identität zu bilden, entgegen dem weitverbreiteten kleinrussischen Bezug auf das Kerngebiet der Gründungszeit der Kiewer Rus. Diese Entwicklung wurde, da sie eine Abwendung vom Russischen Reich bedeutete, von der polnischen wie von der österreichisch-ungarischen Regierung sehr begrüßt. Die erstarkende ukrainische Identität lehnte die bisherige Vorstellung einer Dreieinigkeit des russischen Volkes, bestehend aus Groß-, Klein- und Weißrussen, strikt ab. Die Folge war ein Kulturkrieg beider Selbstbilder, der von östlichen und westlichen Reichsregierungen gefördert wurde.

(..) Text an dieser Stelle gekürzt, liegt komplett vor!

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR löste sich die Ukraine als souveräner Staat vom östlichen Staatenbund ab und durchlitt, wie alle Nachbarländer, durch die politisch-wirtschaftlichen Umstrukturierungen eine schwere Krise. Erst Ende der 1990er Jahre hatte sich das Land wieder erholt. Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts betrug sieben Prozent, doch 2009 brach es infolge der Weltfinanzkrise im Vergleich zum Vorjahr wieder um 18 Prozent ein. Die Ukraine erhielt vom Internationalen Währungsfonds einen an Auflagen geknüpften Kredit in Höhe von 16,4 Milliarden US-Dollar, dessen letztes Drittel nicht ausgezahlt wurde, da sich die Regierung nicht an die Bedingungen halten wollte.
Die heutige Ukraine ist gleichermaßen abhängig von den Handelsbeziehungen zu Europa wie zu Russland, doch haben sich die Prioritätsansprüche der Bevölkerung und die Macht der Staatenbünde und Wirtschaftsunternehmen verstärkt. Alle Seiten fordern Souveränität, obwohl eine friedliche Koexistenz nur mit einem Gleichgewicht, zumindest mit Tolerierung der verschiedenen politischen und kulturellen Strömungen zu erreichen wäre. Auch wenn ein Teil der Bevölkerung den westlichen Staatenbund mit seiner sicheren Wirtschaft und freiheitlich-demokratischen Regierungsform anstrebt, ist gleichwohl verständlich, dass ein anderer dem östlichen näher steht, denn es gibt kaum eine Familie in der Ukraine, deren Stammbaum keine russischen Wurzeln aufzuweisen hätte.

Der gegenwärtige Konflikt der Ukraine ist kein neues Phänomen. Seine Lösung kann nur in klarem Kalkül, souverän und neutral, frei von östlichen wie westlichen Ansprüchen auf Alleinherrschaft gefunden werden. Die sich derzeit zuspitzenden Auseinandersetzungen durch die russische Militärintervention befremden und rufen Entsetzen hervor. Nicht befremdlich fand es der Westen hingegen, eine frei gewählte Regierung mit nicht par­la­men­ta­risch-de­mo­kra­ti­schen Mitteln außer Kraft zu setzen...

(..) Text an dieser Stelle gekürzt, liegt komplett vor!

Das ist keine positive und begrüßenswerte Entwicklung, doch mag sie verhindern, dass die Infrastruktur dieses Landes völlig zerstört wird, und bewirken, dass die Wirtschaft, vor allem aber die Menschlichkeit, bis zu den anstehenden Neuwahlen aufrecht erhalten bleibt. Die russische Regierung hat nicht die Annektierung der Ukraine angekündigt, sondern verlautbart, dass sie lediglich bis zu Neuwahlen präsent sein will, um den Frieden zu stabilisieren. Diese Intervention, wie westliche Soldaten sie in vielen Teilen der Welt betreiben, sollte ihre Chance erhalten.

Text: Astrid Mensah
Fotos: Bildagentur Zoonar (Iryna Shpulak, st-art, Buriy)

Kompletter Text, Zusatzinfos und jede Menge Fotos Lieferbar!