Leben im ehemaligen Sudetenland

Der Wochenablauf einer 6-köpfigen Familien im Jahr 1930
Leben im ehemaligen Sudetenland

Der Wochenablauf einer 6-köpfigen Familien im Jahr 1930

Das Leben einer 6-köpfigen Familie vor über 80 Jahren war ganz anders, als wir es heute gewohnt sind. Waschmaschine, Wäschetrockner, Elektroofen und Zentralheizung kannte oder gab es noch nicht, ebenso wie die vielen anderen technischen Errungenschaften. Der Tagesablauf einer Hausfrau war dementsprechend recht mühsam. Doch da man es nicht anders kannte, war es die Normalität. Von der guten alten Zeit konnte jedoch nicht die Rede sein. Doch begleiten wir einmal eine 6-köpfige Familie eine Woche lang, um vom Leben auf dem Land in dieser Zeit eine Vorstellung zu bekommen.

Die Familie lebt in einem kleinen Dorf in Nordböhmen. Der Großteil der Bevölkerung ist deutschstämmig, einige tschechisch sprechende Bewohner gibt es sowie einige wenige Mischehen. Das Familienoberhaupt unserer Familie ist Wenzel P. Er ist 51 Jahre alt und arbeitet als Maurer entweder in der einige Kilometer entfernten Kreisstadt oder noch weiter weg. Da er nicht Radfahren konnte, musste er die kürzeren Strecken zu Fuß zurücklegen und für längere Wege die Eisenbahn benützen.

Die Mutter Marie P. ist 45 Jahre alt und hat den Haushalt samt dem Tierbestand zu
versorgen.


Die vier Söhne der Familie sind vom jüngsten beginnend: Gustav P. 7 Jahre alt. Er besucht die 1. Klasse der Volksschule im 2 Kilometer entfernten Nachbardorf. Zweitjüngster Sohn ist Josef P. der als 13jähriger die 7.Klasse der Volksschule besucht. Der dritte Sohn ist schon 20 Jahre alt und wohnt nur an den Wochenenden bei seinen Eltern. Er arbeitet als Kaufmännischer Angestellter als Verkäufer in einem Geschäft. Ältester Sohn ist Wenzel P. junior mit 22 Jahren. Er hat ein Studium erfolgreich abgeschlossen und sucht zur Zeit eine Arbeitsstelle. Er hat es jedoch als Deutscher schwer, in der Tschechei eine für seine Ausbildung angemessene Arbeit zu finden.

Ein normaler Wochentag begann in der Regel um 5 Uhr. Um diese Zeit steht Vater Wenzel auf. Während des Frühstücks, das aus Malzkaffee und Brot besteht, richtet Mutter Marie eine Flasche Kaffee und Brot her, was Wenzel zur Arbeit mit nimmt. Ein Bier, wie es so manch anderer Maurer während der Arbeitszeit trinkt, will er sich nicht kaufen. Dafür ist er zu sparsam! Meist ist er immer etwas spät dran, so dass er im Dauerlauf meist eine Abkürzung zur wenige Kilometer entfernten Kreisstadt nehmen muss. Je nachdem, wo er arbeitet, fährt er entweder mit dem Zug oder er begibt sich zu Fuß zur Arbeitsstelle. Im Jahr 1930 arbeitet er in der Stadt, so dass es frühmorgens nicht so knapp mit der Zeit war.

Die Kinder Josef und Gustav gehen anschließend zur Schule im Nachbardorf. Die Schulzeit geht Vormittags bis 11 oder 12 Uhr und Nachmittags von 13 bis 15 Uhr. Samstags ist nur Vormittags Unterricht.

Mutter versorgt den Viehbestand

Wenn der Vater aus dem Haus ist, füttert Mutter die Tiere. Meist sind es eine Kuh und Ziege, Hühner und Gänse. Auch vier Schweine werden im Laufe eines Jahres gefüttert, die allerdings verkauft werden, da man das Geld dringend benötigt. Das Futter holt Marie mit dem Buckelkorb aus dem Wald. Da in den Wäldern um das Dorf 4 Jahre zuvor ein gefährlicher Holzschädling grassierte, starben alle Bäume ab, so dass nur noch Gras und junge Fichten vorhanden waren. Dieses Gras holt sich die Bevölkerung der umliegenden Dörfer. Allerdings war nur der berechtigt, Gras zu holen, der einen Teil der Waldfläche gepachtet hatte. Der Wald wurde zu diesem Zweck in viele kleine Flächen aufgeteilt, die jedes Jahr aufs neue verlizitiert (versteigert) wurden.

Auf den beiden Feldern, welche die Familie 1930 besitzt, bauen sie nur Getreide, Rüben und Kartoffeln an. Etwas weiter entfernt vom Haus haben sie noch einen Streifen Feld gepachtet, auf dem Obstbäume stehen. Als Futterzusatz kauft die Familie nur Maisschrot.

Zum Mittagessen gibt es die ganze Woche meist nur Kartoffeln in Form von Stoppelfuchs und in anderen Variationen. Fleisch (Schweinefleisch) mit böhmischen Knödeln gibt es nur am Sonntag oder an Feiertagen.

Für die Kinder Josef und Gustav, die von der Schule nachhause kommen, liegt auf dem Tisch meist schon ein Zettel bereit, auf dem steht, was sie zu erledigen hatten. Meist ist es Geschirr abwaschen, Stube auskehren, Futter holen oder Gänse hüten. Letzteres ist bei den beiden überhaupt nicht beliebt! Vater kommt Abends meist zwischen 18 und 19 Uhr von der Arbeit nachhause. Er bekommt dann sein Mittagessen. Für den Rest der Familie gab es das übliche Abendessen, das aus Malzkaffee, Brot und einem Aufstrich besteht. Wurst gibt es während der Woche nicht.

Einmal in der Woche Waschtag

Einmal in der Woche ist Waschtag. An diesem Tag gibt es regelmäßig Bohnen. Da diese sehr lange kochen müssen, macht sie Marie deshalb am Waschtag. Von der Familie isst dieses Gericht keiner gerne. Die beiden großen Söhne Wenzel und Karl meinen dann immer zur Mutter: „Warum sagst Du uns es nicht immer vorher, wenn Du Bohnen machst? Dann würden wir uns doch was anderes zum essen kaufen“!

An den Sonntagen müssen die beiden Schulpflichtigen Söhne zur Kirche gehen. Vater und Mutter haben dazu keine Zeit. Sie gehen bestenfalls an hohen Feiertagen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten. Dabei richtet es Wenzel immer so ein, dass er erst etwas später zum Gottesdienst kommt, um nicht lange bleiben zu müssen. Nachmittags geht er ins Gasthaus und trinkt ein oder zwei Bier.

Für den Sohn Wenzel jun. ist Sonntag der Tag, an dem er in der Früh immer Kuchen backt. Da er arbeitslos ist, nimmt er diese Arbeit gerne auf sich. Aus 2 Kg Mehl macht er immer 6 Stück Kuchen die man in Böhmen Golatschen nennt. Da alle in der Familie einen großen Appetit haben, gehen diese weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Auch von den Zwetschgenknödeln werden immer Unmengen gemacht. Allein Wenzel sen., der ja ziemlich klein und auch schlank ist, isst davon zwischen 30 und 40 Stück. Auch später, als er schon fast 80 Jahre alt war, schaffte er es noch, an die 15 Zwetschgenknödeln mit zerlassener Butter, Zimt und Zucker zu essen.

Wenn Karl, der auswärts arbeitet, an den Wochenenden nachhause kommt, wird es vor allem Nachts immer eng, da das Haus nur ebenerdig ist. Aufgestockt hatte es Wenzel erst Jahre später. Gustav schläft bei der Mutter im Bett. Josef und Karl haben ebenfalls nur ein Bett zur Verfügung. Einen Stromanschluss hatte die Familie P. vier Jahre vorher ins Haus gelegt bekommen. Allerdings ist dieser nur für die Beleuchtung gedacht. Das erste Radiogerät kaufte Josef erst im Jahr 1939. Wasser hat die Familie im Treppenhaus, wo es allerdings nur sehr spärlich aus der Leitung fließt.

© Walter J. Pilsak
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