Der Wahrsager

Der Wahrsager

Ein Erlebnis aus der Kriegsgefangenschaft

Erwin, 18 Jahre alt, wurde im Jahr 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Er war in Südfrankreich und in Italien eingesetzt, wobei er großes Glück hatte, dass er den Krieg überlebte. So war er einmal bei einem feindlichen Angriff der einzige Überlebende seiner Kompanie und ein andermal überlebten er und noch zwei Kameraden als einzige ihrer Einheit.

1945 geriet Erwin in Italien in amerikanische Gefangenschaft und kam in ein Lager in Neapel. In diesem Gefangenenlager kam er mit vier Kameraden zusammen, die aus Eger, dem heutigen Cheb in der tschechischen Republik, stammten. Einer von ihnen – Franz - hatte übersinnliche Fähigkeiten. Dieser Mitgefangener war vor Kriegsausbruch in Eger bei der Freimaurer Loge. Abends saß er in der Baracke des Lagers öfters am Tisch, den Kopf in die Hände gestützt und meditierte. Dabei murmelte er immer Sätze vor sich hin. So sagte er des öfteren.

„Er lässt sie einfach nicht in Ruhe“.

Seine Mitgefangenen hielten ihren Kameraden für einen etwas komischen Kauz, der leicht verrückt sein musste! Nach Wochen dann, während einer ähnlichen Sitzung sprach er dann:

„Jetzt endlich habe ich ihn vertrieben“.

Zu seinen Kameraden sagte er dann noch:

„Jetzt ist ein Brief von meiner Frau unterwegs zu mir“.
Und tatsächlich kam zwei Tage später dieser Brief an! Vermutlich hatte er per Telepathie einen lästigen Verehrer seiner Frau vertrieben!!

Ein anderes mal sprach er zu einem anderen Stubeninsassen, der ebenfalls aus Eger kam:

„Weißt Du, dass Dein Sohn ganz in der Nähe ist?

Dieser gab ihm zur Antwort:

„Das kann nicht sein. Mein Bub war ja ganz woanders im Kriegseinsatz.“

Erwin, der dies auch hörte, und der als Kraftfahrer viel mit dem Auto unterwegs war, sagte dann:

„Du, wenn ich demnächst den Lagerkomandanten wieder einmal fahren muss, kann ich mich ja einmal bei einer betreffenden Stelle informieren!“

Gesagt, getan. - bei nächster Gelegenheit bat er jemanden, die Listen sämtlicher Gefangener in der Gegend um Neapel durchzusehen, ob vielleicht der Sohn des betreffenden Gefangenen darunter sei. Und Tatsächlich tauchte der betreffende Name auf. Der Sohn war ganz in der Nähe am Hafen als Gefangener.

Ein andermal fragte Franz den Erwin, ob er Familienfotos dabei hätte. Dieser hatte unter anderem auch ein Foto seiner Eltern dabei. Weinert sah dieses an und sprach:

„Dein Vater wird sehr alt. Wenige Tage nach seinem 85. Geburtstag wird er sterben. Deine Mutter wird ihn wahrscheinlich überleben. Ich bin mir aber nicht ganz sicher. Auch Du Erwin, wirst 85 Jahre alt. Schon bald wirst Du aber schwer krank werden und lange im Bett liegen. Du wirst Dich aber fast wieder ganz erholen, bis auf eine Kleinigkeit, die Du Dein ganzes Leben lang mitschleppen wirst. Auch sehr reich wirst Du einmal!“

Erwin, der - wie die meisten in diesem Alter - an solche übersinnliche Fähigkeiten nicht glaubte, nahm Franz nicht für ernst und vergaß diese Prophezeiungen. Erst später im Alter erinnerte er sich an diesen Mann und seine Vorhersagen. Seiner Meinung nach trafen diese - bis auf eine einzige - bis jetzt alle ein.

Der Vater von Erwin wurde 85 Jahre alt. Die Mutter von Erwin überlebte ihren Mann um 1 Jahr und 5 Monate. Sie starb also auch kurz danach, so wie es Franz vorausgesagt hatte. Auch Erwin wurde sehr krank. Im Alter von etwa 30 Jahren bekam er einen Schlaganfall. Er lag 2 Monate im Krankenhaus und erholte sich nur sehr langsam. Bis auf seine Beschwerden in einem Bein, die er heute noch hat, wurde er wieder ganz gesund.

Nur eine Prophezeiung traf bis heute noch nicht zu. Erwin wartet noch heute darauf, dass er einmal reich würde. Er hatte zwar schon einmal einen größeren Gewinn im Lotte, doch war diese Summe nicht so groß, dass er davon reich wurde. Deshalb spielt er auch heute noch jede Woche Lotto! Allerdings bleibt ihm nicht mehr viel Zeit, wenn sich alle Voraussagen erfüllen sollten, die ihm sein Kriegskamerad Franz prophezeite!

© Text: Walter J. Pilsak


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