Denkanstöße zwischen Wein und Reben

Denkanstöße zwischen Wein und Reben

Trollinger, Spätzle, Obstler, Maultaschen und Viertele – den romantisch-verklärten Blick von Remstal-Touristen haben die Mitglieder der Allmende Stetten längst abgelegt. Ebbe Kögel und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter legen auf lokalpolitischer wie globaler Ebene den Finger gerne in die Wunde. Mit einem gesellschaftlich relevanten Vereinsprogramm im Weinort Stetten sorgen sie dafür, dass Kulturhunger und politische Diskurse auch abseits der Schwabenmetropole Stuttgart nicht zu kurz kommen.

Die Yburg ragt inmitten von Weinbergen oberhalb der Rems empor und ist das Wahrzeichen des Kernener Ortsteils Stetten. Die Burgruine im Unteren Remstal blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück, die bis in die Anfänge des 14. Jahrhunderts reicht. Ebenfalls viel zu erzählen gibt es über die Projekte der Allmende Stetten, obwohl seit der Gründung im Jahr 2005 noch nicht einmal zehn Jahre vergangen sind. Der gemeinnützige Verein Allmende Stetten e.V. wurde am 9. April 2005, dem Todestag des schwäbischen Widerstandskämpfers Georg Elser, gegründet. Der Begriff „Allmende“ stützt sich auf das althochdeutsche Prinzip „algimeiniga“ (was allen gemein). Früher war es in bäuerlichen Gemeinschaften bekanntermaßen durchaus Usus, dass Weideland, Wald und Wasser zum Gemeineigentum zählten. „Heute wird die Nutzung von Gemeineigentum oft durch privatwirtschaftfliches Profitstreben verhindert“, beklagt Ebbe Kögel, Erster Vorsitzender, Allmende Stetten.

Nach dem Motto „Global denken – lokal handeln. Lokal denken – global handeln“ versucht Ebbe Kögel mit seinen Mitstreitern eine solidarische Grundhaltung zu sichern. Ökologische und soziale Probleme weltweit werden genauso reflektiert wie gesellschaftliche Defizite im Remstal angeprangert. Nachhaltige Projekte vor Ort will der gemeinnützige Verein kontinuierlich anschieben. Der Gemeinwohl-Gedanke, der hinter dem Allmende-Prinzip steckt, ist in den Vereinszielen fest verankert. So will sich die Allmende Stetten für die Zivilgesellschaft einsetzen sowie gemeinsames, selbstorganisiertes und -bestimmtes Handeln von Menschen unterstützen. Dabei sollen elementare Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität stets an den Schwachen und Benachteiligten in der Gesellschaft ausgerichtet werden. Diese Leitprinzipien markieren ein bewußtes Gegengewicht zur individuellen Ellbogenmentalität im marktliberalen Kapitalismus.

Lokale wie globale Konflikte stets im Blick
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Der Vorsitzende der Allmende Stetten gilt als „Remstal-Revoluzzer“
Ebbe Kögel stammt aus einer alten Wengerterfamilie im Remstal. Der gelernte Maschinenschlosser hat über 20 Jahre im Ausland gearbeitet. Nach einem Soziologie- und BWL-Studium, dass er erst mit Anfang 40 in Angriff nahm, ist er inzwischen wieder zu den Wurzeln in seinen Heimatort Stetten zurückgekehrt. Im Sommer ist er als Bademeister auch für den reibungslosen Ablauf im ortsansässigen Freibad verantwortlich. Darüber hinaus ist er unermüdlich als Heimatforscher, Polit- Aktivist und Weinerlebnisführer im Einsatz – ganz zu schweigen von seinem Engagement für den
solidarischen Grundgedanken der Allmende. „Es gibt viel zu tun, aber auch mein Tag hat nicht mehr als 24 Stunden“, lacht Ebbe Kögel.

Als Dozent für Regionalgeschichte kann Ebbe Kögel so manch spannende Anekdote aus dem Dorfleben erzählen. Die Jugendrevolte der 1970er Jahre im Remstal erlebte er hautnah mit. Er selbst sehe sich daher als eine Art „Remstal-Revoluzzer“. Auch das Schicksal von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg ließ den Heimatforscher nicht mehr los. Ebbe Kögel ist sich sicher, dass es um die Weinreben in Stetten heutzutage viel schlechter bestellt wäre, wenn die sowjetischen und französischen ZwangsarbeiterInnen damals nicht so viel im Weinberg gearbeitet hätten. Auch die Euthanasie auf Schloss Grafeneck im Jahre 1940 beschäftigt den Stettener. In Grafeneck bei Münsingen ermordeten die Nazis über 10.000 Menschen mit Behinderung – darunter auch zirka 400 ehemalige Bewohner der Diakonie Stetten. Die traditionellen Mühlen im Unteren Remstal sind dem passionierten Heimatkundler ebenfalls wichtig. Auch zum früheren Wirken von Jüdischen Viehhändlern in der Region Stuttgart hat er schon akribisch recherchiert.

Die Tradition des Brotbackens, die Ebbe Kögel mit seinen Mitstreitern im alten Dorfbackhaus wieder aufleben läßt, kommt ebenso gut an – frisches bzw. knuspriges Brot schmeckt eben (fast) jedem. Lokalpolitische Agitation stößt nicht bei allen auf Gegenliebe Nicht jedem im Dorf „schmeckt“ allerdings das kommunalpolitische Engagment bzw. die Aufarbeitung von düsteren Kapiteln in der Remstalhistorie durch die Mitglieder der Allmende Stetten. „Leckeres Brotbacken findet jeder toll. Aber im Remstal gefällt es nicht allen, wenn wir beispielsweise das Großprojekt Stuttgart 21 kritisieren“, weiß Ebbe Kögel. „Einige nervt es auch, daß wir uns so oft beschweren, weil im Ort schon wieder wertvolle bzw. fruchtbare Löß- und Lehmböden neuen Industrie- und Wohngebieten weichen sollen“, sagt er.
Stetten sei ein kleiner Ort, dass sich seinen ambivalenten Dorfcharakter erhalten habe, sagt er mit einem Augenzwinkern. „Auf der einen Seite gibt es hier in Stetten einen sehr großen Zusammenhalt. Auf der anderen Seite ist in einem kleinen Dorf die soziale Kontrolle aber auch viel größer und unterschiedliche Interessenslagen gibt es hier wie sonst überall auch“, konstatiert er.

Dies hält Ebbe Kögel allerdings nicht davon ab, die Gründung einer „BürgerInnen-Energie- Genossenschaft BEG Remstal“ vorzuschlagen oder den Anstoß zu „K21 Kernen“ zu geben – einem Verein zur Förderung eines zukunftsfähigen Öffentlichen Personennahverkehrs. Die Utopie „Dorf 2020“ wurde ebenfalls von der Allmende Stetten in den Raum geworfen. So soll in Stetten bis 2020 wieder eine Seenplatte hergestellt werden, die bis vor 200 Jahren zum Landschaftsbild dazu gehörte.

Alte Dorftraditionen leben wieder auf
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Ökologischer Weinanbau mit mittelalterlichen Rebsorten
Während sich der Technikwanderweg mit der Vergangenheit auseinandersetzt, soll der von der Allmende Stetten initiierte Museumswengert ein Projekt mit Zukunft sein. Im Sommer 2009 wurde vom VdP- und Bioweingut Jochen Beurer das nachhaltige Weinbauprojekt unterhalb der Yburg angelegt – mit Unterstützung der Allmende. Die Yburg ist von renommierten Weinlagen wie Pulvermächer, Lindhälder und Brotwasser umgeben. Bei dem ökologischen Weinbergsprojekt der Allmende Stetten steht aber nicht die kommerzielle Vermarktung, sondern der Anbau von mittelalterlichen süddeutschen Rebsorten (z.B. Affenthaler, Heunisch, Schapatna) und die Erhaltung der Biodiversität im Vordergrund. Viele alte Rebsorten aus Süddeutschland seien vom Aussterben bedroht, bestätigt Ebbe Kögel. Auf Empfehlung von Andreas Jung – einem renommierten pfälzischen Rebsortenexperten – wurden im Wengert unterhalb der Yburg historische Rebsorten wie Honigler und Kleinweiss angepflanzt. Diese gediehen prächtig. „Im Oktober 2012 konnten wir in unserem Bioweinberg den Jungfernwein ernten. Er wird im Spätsommer 2013 auf den Markt kommen“, freut er sich.

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Lehrreiche Trockenmauerbau-Seminare
Der Museumswengert ist ein Element des „Trockenmauerprojekts“. Der Startschuss für das Trockenmauerprojekt fiel im Jahr 2005. Alle zwei bis drei Jahre führt die Allmende Stetten in Kooperation mit Trockenmauer-Experten wie Martin Bücheler und Richard Lenz lehrreiche Trockenmauerbau-Seminare durch. Die Plätze sind begrenzt und sehr begehrt – sogar das Landesfernsehen hat schon vorbeigeschaut. „Trockenmauern nach fachmännischer Anleitung zu bauen, macht Spaß, fördert das Gemeinschaftsgefühl und erfüllt nebenbei einen ökologischen Aspekt – schließlich bieten Trockenmauern Wärme liebenden Tieren und Pflanzen wertvolle Biotope“, betont Ebbe Kögel. Der Heimatkundler erklärt Touristen mit großer Leidenschaft den komplexen Aufbau von Trockenmauern und weist dabei gerne auf die Besonderheiten von Weinbergsterrassen hin. „Der Terrassenbau war früher im Remstal viel stärker verbreitet.

Heute hat sich auch im Remstal der (konventionelle) Weinanbau im Direktzug in den rebflurbereinigten Hanglagen durchgesetzt – die verbliebenen Weinbergsterrassen und die Trockenmauern bei der Yburg sind aus Denkmalschutzgründen daher besonders erhaltenswert“, so Ebbe Kögel. Leider sei ein großer zeitlicher und finanzieller Aufwand notwendig, um das letzte bewirtschaftete Trockenmauergebiet im Remstal für die Nachwelt zu retten. So kostet die Instandhaltung von einem Quadratmeter zirka 500 bis 700 Euro. Die Trockenmauern in Stetten bestehen aus Schilfsandstein und sind daher oft poröser als Trockenmauern aus Muschelkalk, die es z.B. in den Hessigheimer Felsengärten gibt. Da die meisten Steinbrüche mittlerweile zugewachsen sind bzw. nicht mehr existieren, muß Nachschub oft von außerhalb besorgt werden. „Früher wurden die Steine vom Steinbruch im Tal einzeln mit der Butte auf dem Rücken zur Yburg hochgetragen und in mühevoller Kleinarbeit eingesetzt“, weiß Ebbe Kögel. Eine beachtliche, da schweißtreibende Angelegenheit – schließlich waren mehrere Zehntausend Schilfsandsteine beim Weinterrassenbau auf der Yburg nötig.

Der Trockenmauerbau stellt trotz leicht zugänglicher Informationen auch im Web 2.0-Zeitalter durchaus noch eine Wissenschaft für sich dar. Know-how in Geologie, Gartenbautechnik, Mathe, Physik und (Bau-)Statik in Kombination mit handwerklichem Geschick und körperlicher Kraft können auf alle Fälle nicht schaden. Wer die uralte Trockenmauertechnik allerdings am Ende des Seminars verinnerlicht hat, verspürt den unweigerlichen Drang, in seinem eigenen Garten eine Trockenmauer anzulegen. Das wäre ganz im Sinne des allmende-Gedankens: reiche dein Wissen an nachfolgende Generationen weiter und diene so dem Gemeinwohl. In diesem Falle ist mit dem Gemeinwohl nicht nur das menschliche Miteinander, sondern auch die friedliche Koexistenz zwischen Mensch, Tier und Pflanze gemeint ;-)

Text & Fotos: Andreas Scholz

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