Die spinnen, die Motten - Gespinnstmotten

Die spinnen, die Motten

von Andreas Scholz

Eingesponnene Bäume und Büsche in der Landschaft erregen derzeit die Aufmerksamkeit von Spaziergängern. Hat sich in diesem Jahr etwa der Eichenprozessionsspinner (lateinisch: Thaumetopoea processionea) massiv verbreitet? Die Forst- und Umweltexperten im Landkreis Schwäbisch Hall geben aber rasch Entwarnung und beruhigen die Bevölkerung

„Die letzte Massenvermehrung des Eichenprozessionsspinners hatten wir vor mehr als zehn Jahren“, erklärt Jörg Brucklacher. „Die Raupen können apokalyptische Ängste auslösen, während die befallenen Eichen mit dem Problem meist gelassen umgehen“, ergänzt er. Als Förster ist er für das Landratsamt Schwäbisch Hall oft in seinem Dienstleistungsrevier Limpurger Berge unterwegs. Was momentan im Landschaftsbild auffalle sei nicht das Werk des Eichenprozessionsspinners. „Es sind die Gebilde der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte“, bekräftigt Jörg Brucklacher. Eine Massenvermehrung der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte (lateinisch: Yponomeuta cagnagella) komme alle paar Jahre vor und sei ganz normal.

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Im Gegensatz zum Eichenprozessionsspiner haben die Larven der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte keine Brennhaare. Hautausschläge oder Augenreizungen, die bei einem zu engen Kontakt mit dem Prozessionsspiner entstehen, sind bei der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte ausgeschlossen. „Das Gespinst kann man sogar anfassen“, meint Brucklacher.

Auch Martin Zorzi sind die Webarbeiten von Gespinstmotten an den Wegrändern nicht verborgen geblieben. Der Leiter des Umweltzentrums Schwäbisch Hall führt die aktuelle Ausbreitung der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte auf den Witterungsverlauf zurück, welcher das Ausmaß des Auftretens bestimmt. „Dabei gibt es auch indirekte Wirkungen, indem seit letzten Herbst auch die Fressfeinde und Parasiten der Gespinstmotte ins Hintertreffen geraten sind“, erklärt der Diplom-Biologe.

Aber auch der menschliche Einfluss wirkt sich auf den Verbreitungsgrad der Gespinstmotte aus. „Umweltbelastungen aus Landwirtschaft, Verkehr und Industrie destabilisieren das ökologische Gefüge. Es gibt über das Jahr Zeitfenster, in dem Insektennahrung für Fressfeinde wie Singvögel) fehlt, was diese schwächt und reduziert“, sagt Zorzi. Die Folge: in den folgenden Zeitphasen stehen dringend benötigte Fressfeinde von Gespinstmotten nicht mehr zur Verfügung. „An diesem Beispiel sieht man das komplizierte Beziehungsgeflecht in der Natur und wie wichtig Vielfalt für die ökologische Stabilität ist“, betont Zorzi.

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Was aber kann der Gartenfreund oder der Wiesenbesitzer jetzt eigentlich unternehmen, der sich an den „Gespenstergebilden“ an Busch und Baum stört? „Bloß nicht irgendwas spritzen, damit macht man die Misere der Natur nur noch schlimmer, das Gift schädigt auch zahlreiche andere Organismen“, rät Brucklacher. „An Pfaffenhütchen, Traubenkirschen und Schlehen soll und muss man gar nichts machen, die erholen sich wieder“, meint Zorzi.

Werden allerdings Nutzpflanzen wie Pflaumen oder Mirabellen von Obstbaumgespinstmotten wie der Apfel-Gespinstmotte (lateinisch: Yponomeuta malinellus) oder der Pflaumen-Gespinstmotte (lateinisch: Yponomeuta padella) befallen, sei die Ernte in Gefahr. „Inzwischen gibt es einige biologische Mittel, die im Erwerbsobstbau gezielt eingesetzt werden können“, weiß Zorzi. „Es schadet auch nicht, die Baumkronen der Obstgehölze im April regelmäßig zu kontrollieren, um den ersten Befallsherd auszuschneiden“.

Zusatzinfo

Hautreize Neben der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte spinnen ebenso die Pflaumen-Gespinstmotte (lateinisch: Yponomeuta padella) und die Traubenkirschen-Gespinstmotte (lateinisch: Yponomeuta evonymella) ihre Fraßbäume ein. Der Eichenprozessionsspinner greift bevorzugt Eichenbäume an. „Gefährlich ist der Eichenprozessionsspinner vor allem für Menschen, die mit den Brennhaaren der Raupen in Kontakt kommen. Diese lösen physisch und chemisch teils sehr starke Hautirritationen aus“, erläutert Jörg Brucklacher. Der Revierförster rät, die Raupen-Nester generell zu meiden. Bekämpft wird der Eichenprozessionsspiner an Spielplätzen, Raststellen und Kindergärten. „Die Haare in den Nestern werden mit Wasserglas fixiert und dann mit einem Insektensauger entfernt. Oft macht das auch die Feuerwehr“, weiß Brucklacher. Der Eichenprozessionsspinner profitiert von der Klimaerwärmung. Erst seit Anfang der 1990er Jahre ist der „Eichenfan“ im Nordosten von Baden-Württemberg heimisch.

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Text: Andreas Scholz
Fotos: Andreas Scholz, Frank Hecker, Jessica Johnen