Digitalisierte Jobvermittlung

Digitalisierte Jobvermittlung

Die Zahl der offenen Stellen ist vor allem im IT-Bereich viel größer als die der Hochschul-Absolventen. In Berlin zählt die Startup-Kultur zu einem der größten Arbeitgeber – das war vor drei Jahren noch undenkbar. Gut ausgebildete Menschen zu finden, die auf einen Job passen und ihn auch übernehmen wollen, wird für etablierte Konzerne und Mittelständler immer schwieriger. Wie praktisch angesichts des Fachkräftemangels, dass 90 Prozent der unter 50-Jährigen in sozialen Netzwerken aktiv sind. Unter anderem das Hochladen frischer Profilfotos an einem Montagmorgen verrät deren Wechselwilligkeit.

Zu einem der 30 besten Startups in Europa wurde vergangenes Jahr die digitale Rekrutierungsplattform „Talentwunder“ gekürt. Das Berliner Unternehmen sucht inmitten der digitalen Verwebung der Menschen aktiv nach Hinweisen auf unzufriedene bzw. wechselwillige Fachkräfte und stellt deren Profile in seine Suchmaschine für Arbeitgeber. „Talentwunder“-Mitgründer und Geschäftsführer Andreas Dittes war auf dem deutschen Innovationsgipfel in München umringt von Managern und digitalen Erneuerern, die sich für die zielgenaue Talentsichtung mit Hilfe einer schlau programmierten Plattform interessierten. Annegret Handel-Kempf hakte nach, was Big Data und Prognosen beim digitalen Rekrutieren vermögen.

INTERVIEW

„Durch die digitale Revolution entstehen sehr viele neue Jobs“

Herr Dittes, die Digitalisierung verändert Gesellschaft, Arbeitswelt und Wirtschaft rasant. Sind die bislang üblichen Stellenanzeigen und Recruiting-Verfahren zu behäbig für das digitale Zeitalter?

Andreas Dittes: Die Digitalisierung sorgt ohne Zweifel für viele Umbrüche: Auf Seiten der Bewerber ändert sich das Konsumverhalten von Information - hier sehen wir vor allem neue Konsumformen der Stellenanzeige wie z.B. Truffls (https://truffls.de). Auf der Seite der Unternehmen ändern sich die Profile der gesuchten Kandidaten, was schon die Formulierung einer passenden Anzeige erschwert.

Auf welche Methode zur passgenauen Arbeitsplatzbesetzung setzt "Talentwunder"? Was ist neu daran, welche Technologie steckt dahinter?

„Talentwunder“ ist eine Suchmaschine für Talente. Um eine gute Suche zu gewährleisten, haben wir weltweit 1,7 Milliarden Profile indexiert und durchsuchbar gemacht. Diese stammen aus Quellen wie LinkedIn, XING oder auch anderen branchenspezifischen Netzwerken wie Github oder StackOverflow. Recruiter und Personalberater können darüber weltweit passende Fachkräfte identifizieren und ansprechen. Dafür machen wir auch Datenanalysen, mit denen wir für jedes Profil eine Wechsel- und Umzugswahrscheinlichkeit berechnen.

Durch Maschinen und Software könnten mittelfristig viele Jobs wegfallen. Die einst "sicheren Lebenslang-Jobs" bei Banken und Versicherungen oder als Buchhalter wackeln als erste. Mit welchem Profil sind Arbeitsuchende und Hochschulabsolventen für Ihre spezialisierte Suchmaschine interessant?

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Die Lücke zwischen offenen Stellen im IT-Bereich und der Zahl geeigneter Arbeitssuchender wächst von Tag zu Tag. Wie sollte Weiterbildung aussehen, die für eine schnelle Besetzung der Jobs sorgen kann?

Viele der klassischen Bildungseinrichtungen sind nicht vorbereitet, den neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Ein Beispiel sind neue Programmiersprachen oder Jobprofile. Moderne Weiterbildungsorganisationen wie CareerFoundry (https://careerfoundry.com/de/) machen das Angebot direkt von der Nachfrage abhängig und bieten Kurse, die eine praxisnahe Vorbereitung an den späteren Job ermöglichen.

Über Jahrzehnte wurde von Arbeitnehmern Flexibilität bis zum Einbüßen jeglicher persönlichen Lebensqualität und ihrer Gesundheit gefordert. Wie flexibel und mit welchen Angeboten müssen Unternehmen im digitalen Zeitalter auf die benötigten Experten zugehen, um sie zum Unterschreiben eines Arbeitsvertrages zu bewegen?
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Ex-Bundeswirtschaftsminister Gabriel fordert, dass keiner die Schule abschließen soll, der nicht weiß, was ein Algorithmus ist. Reicht das? Müsste nicht irgendwann jeder programmieren können, der in einem Unternehmen mitreden und Verantwortung tragen will?
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Wie wichtig sind eigentlich noch feste Arbeitsverhältnisse, wie wichtig die Verweildauer in einem Unternehmen?

Es gibt viele Bestrebungen, die klassischen festen Arbeitsverhältnisse durch moderne dynamische Organisationsformen zu ersetzen. Eine Branche, in der das schon seit vielen Jahren sehr gut funktioniert, ist die Filmbranche. Hier kommen für einen Film teilweise hunderte Freiberufler und kleine Agenturen zusammen, um ein Projektteam zu bilden. Eine ähnliche projektbasierte Zusammenarbeit ist auch in vielen anderen Branchen denkbar und wird auch teilweise schon genutzt. Allerdings muss man hier auch sehen, dass z.B. die Universitäten oder die sozialen Sicherungssysteme noch nicht auf die neuen Anforderungen vorbereitet sind. Viele Freiberufler kümmern sich z.B. nicht oder ungenügend um eine Rentenvorsorge.

Entdeckt "Talentwunder" auch Freiberufler, die nur projektbezogen von einem Unternehmen gesucht werden?
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Könnte es mithilfe von "Talentwunder" künftig Einstellungen ohne Vorstellungsgespräche geben? Wie müssten die dafür benötigten Analyseverfahren aussehen?
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Es wird immer mehr gefaked. Reden, Abschlussarbeiten, Bewerbungsunterlagen werden von bezahlten "Ghosts" erstellt. Ließen sich auch in den sozialen Netzwerken jobausschreibungsoptimierte Kunstfiguren erschaffen, die mit den realen Menschen, die eingestellt werden sollen, wenig gemein haben?
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Wie kamen Sie zur Auszeichnung durch "OpenAxel"?
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Schauen wir in die Zukunft? Macht eine Suchmaschine wie "Talentwunder" Arbeitsvermittler und Personalabteilungen längerfristig arbeitslos?

Wir arbeiten jeden Tag daran, die Arbeit dieser Personen zu erleichtern und zu verbessern. Ich glaube - und hoffe - dass die menschliche Interaktion bei einer für beide Seiten so wichtigen Entscheidung wie einem Jobwechsel erhalten bleibt. Wir wollen aber dafür sorgen, dass Recruiter mehr Zeit mit den Kandidaten im Bewerbungsgespräch verbringen können, statt diese in die Identifizierung passender Kandidaten zu stecken. Von daher kann ich jedem Recruiter oder Personalberater nur empfehlen, sich mit den sozialen Netzwerken zu beschäftigen und vor allem auch mit Tools wie „Talentwunder“, die die Arbeit erleichtern können.


Zur Person:
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Info-Kasten
Digitale Datenberge: Bis zum Jahr 2020 erwarten die Analysten der International Data Corporation ein Anwachsen des „digitalen Gebirges“ auf 40 Zettabyte – das ist eine Eins mit 21 Nullen. Das bedeutet: Pro Kopf werden im Jahr 2020 sechs Terabyte an Daten gespeichert sein – das entspricht einer Textmenge von 3.000.000 Büchern für jeden einzelnen Menschen. Dieses eigentlich beängstigende Volumen lässt sich nutzen, wenn Arbeitsplatz und Arbeitnehmer in ihren Verortungen, Zielen und Profilen bestmöglich zusammen passen sollen. Laut BITKOM leiden sechs von 10 ITK-Unternehmen an Fachkräftemangel. In Europa sind – „Talentwunder“ zufolge - im IT-Sektor mehr als eine Million Stellen unbesetzt. Zumal auch jenseits der IT-Branche immer mehr Softwareentwickler, Cloud-Spezialisten und andere Experten der Digitalisierung benötigt werden.

Interview: Annegret Handel-Kempf

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