Vorgetäuschte Bauchschmerzen und was daraus werden kann

Vorgetäuschte Bauchschmerzen

Die Angst vor einer Schularbeit endete mit einer Blinddarmoperation

Erinnerungen an die Schulzeit sind oft mit zwiespältigen Gefühlen verbunden. Jeder von uns hatte in der Schule bestimmt schon mal Angst vor einer sogenannten Probe bzw. Schularbeit. Wenn man dann im Vorfeld nichts gelernt hatte, waren die Aussichten auf eine gute Benotung der Arbeit nicht gerade rosig. Wer hat da nicht schon einmal versucht, durch eine vorgetäuschte Krankheit sich davor zu drücken. So geschehen, auch in unserer Geschichte, die sich vor einem halben Jahrhundert abspielte.

Hauptperson in der Geschichte ist das neunjährige Mädchen Maria, das damals in die dritte Volksschulklasse ging. Wieder einmal stand in den nächsten Tagen eine Probearbeit an. Das betreffende Fach „Deutsch“ lag ihr überhaupt nicht. Sie tat aber auch nichts dagegen, um ihre Deutschkenntnisse aufzubessern. Zum einem musste sie zuhause ihrer Mutter viel bei der Hausarbeit helfen und zum anderen wollte sie in der verbliebenen Freizeit auch noch mit ihren Geschwistern und Freunden spielen.

An einem Montag war es dann so weit. Vor dem Frühstück kam ihr die heute anstehende Probearbeit plötzlich wieder in den Sinn. Ein banges Gefühl überkam sie – was sollte sie jetzt machen? Da sie nicht zum lernen kam, wird die Arbeit garantiert ein Reinfall. „Jetzt hilft mir nur noch eine vorgetäuschte Krankheit“, dachte sie sich. Da ihr jetzt Angesichts der zu erwartenden Schwierigkeiten der Appetit verging, dachte sie sofort an Bauchschmerzen .

„Du Mama, ich kann nicht’s essen, ich habe sooo starke Bauchschmerzen“. Dabei machte sie ein schmerzverzerrtes Gesicht und hielt sich den Bauch. „Ist es so schlimm?“, fragte Mutter. „Ja, mir ist schon ganz schlecht“, ich kann überhaupt nicht aufstehen“, erwiderte sie. „Wenn es in einer halben Stunde nicht besser wird, gehst du heute nicht in die Schule und wir holen später den Arzt“, meinte Mutter mit ernster Mine.

Jetzt fiel Maria ein großer Stein vom Herzen. „Gottseidank, jetzt brauche ich nicht zur Schule“ dachte sie sich! „Aber ein Arzt muss nicht kommen“ sagte sie gleich darauf zur Mutter, die erwiderte: „Doch, doch – es könnte sich ja um eine Blinddarmentzündung handeln. Du musst unbedingt untersucht werden“! Eine Stunde später war es soweit. Der Hausarzt schaute noch vor Beginn der Sprechstunde vorbei und untersuchte die kleine Patientin. Als er ihren Bauch abgetastet hatte, machte er ein bedenkliches Gesicht und meinte: „Ich befürchte, es ist eine Blinddarmentzündung. Du musst noch heute in’s Krankenhaus zur genaueren Untersuchung“.
Es wird erst!

„Es ist jetzt schon viel besser – die Schmerzen sind schon fast weg“, meinte sie eine Stunde später im Krankenhaus zum behandelnden Arzt. „Jetzt untersuchen wir erst einmal dein Blut“, meinte dieser. „Das tut überhaupt nicht weh!“ Als dann später das Ergebnis der Blutuntersuchung kam, sprach der Arzt: „Du hast in deinem Körper eine Entzündung und zwar ist dies der Blinddarm. Morgen Vormittag wirst du operiert“.

Jetzt bekam es Maria mit der Angst zu tun und rückte mit der Wahrheit heraus: „Ich hatte ja überhaupt keine Bauchschmerzen. Ich wollte nur nicht in die Schule, da wir eine Probearbeit schrieben, zu der ich nichts gelernt hatte“ sagte sie zum Arzt. Dieser ging auf die vermeintlichen Ausflüchte des Kindes überhaupt nicht ein und meinte: „Maria, du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Die Operation dauert nicht lange und du merkst auch nichts davon. In wenigen Tagen bist du wieder zuhause“. Maria gab nicht so schnell auf und erklärte es dem Arzt noch einmal. Doch all ihrer Bemühungen zum Trotz wurde sie am nächsten Tag operiert.

Sie überstand die Operation sehr gut und war in wenigen Tagen wieder zuhause. Allerdings war es ihr eine Lehre. Seither versuchte Maria nie mehr, sich durch irgendwelche Ausflüchte sich von einer Schularbeit zu drücken. Was die Ergebnisse der Blutuntersuchung betrifft, ist der Arzt einer selten auftretenden Anomalität aufgesessen. Die Erhöhung der Lymphozyten, die im Krankheitsfall eine Entzündung im Körper anzeigen, war bei Maria eine Normalität. Zehn Jahre später, bei der Geburt ihres ersten Kindes hatten Ärzte dies bei ihr festgestellt.

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Text: Walter J. Pilsak
Fotos: Bildagentur Zoonar