Kürbisse - Unverzichtbare Küchengeister

Unverzichtbare Küchengeister

Fritz und Lieselotte Single aus Gottwollshausen machen im Herbst mit dem Verkauf von Kürbissen ein saisonales Nebeneinkommen.

Ob Suppe, Salat, Auflauf, Kuchen, Brot, Tarte, Krapfen, Puffer, Terrine oder Chutney – es gibt nichts, wo der Kürbis in der Küche nicht verwendbar wäre. „Der Kürbis ist ein Küchenuniversalgenie“, bestätigt Lieselotte Single. Die 57-Jährige zieht im Fischweg in Gottwollshausen zusammen mit ihrem Mann ein paar Leiterwägelchen aus der Hofscheune an den Straßenrand. Fritz Single führt am Leiterwagen noch schnell eine kleine Reparatur aus. „Das traditionelle Berufsbild des Wagners ist hier ja leider fast ausgestorben“, erläutert er. Die Leiterwägen sind voll beladen mit kleinen, mittelgroßen und riesigen Kürbissen, die in Gelb, Rot, Weiß, Grün oder Orange leuchten. Manche sind gepunktet, andere wiederum fallen durch ihre ungewöhnliche Form auf.

Insgesamt 30 Sorten bietet das Ehepaar im Straßenverkauf an – darunter bekannte Sorten wie Blue Hubbard, Bischofsmützen (Kardinalshut), Paddison, Muskat, Sweet Dumpling, Roter Hokkaido sowie Halloween- und Spaghettikürbisse. Lieselotte Single nimmt zwei Kürbisse in die Hände. „Der Muskat hält lange und den Hokkaido mögen vor allem die Kürbissuppenliebhaber“, verrät Lieselotte Single. „Hier habe ich eine besondere Sorte“, sagt sie und greift gezielt nach einem weiteren Kürbis im Leiterwagen. „Das ist ein Lakota“. Der Lakota sei in Anlehnung an die Sioux-Indianer entstanden. „Die hat der Weiße Mann bekanntlich ausgerottet. Die Sioux-Indianer verstanden bereits viel vom Kürbisanbau“, schildert die Kürbiskennerin.

Kürbisparade

Zirka 1500 Kürbisse verkaufen die Singles in einer Saison. In diesem Jahr startete der Straßenverkauf bereits vier Wochen früher als sonst, was aber auch kein Wunder sei. „Wir hatten keinen Winter und das Frühjahr setzte früh ein“, erklärt sie. Hinzu komme das aktuelle Schneckenproblem. „So schlimm wie in diesem Jahr war es mit den Schnecken noch nie“, moniert die Kürbisexpertin. Die Singles setzen in ihrer Nebenerwerbslandwirtschaft kein Schneckenkorn und auch keine Insektizide oder Pestizide ein. Mehrere Hektar fruchtbares Ackerland inklusive Streuobstwiesen bewirtschaftet das Ehepaar in der vierten Generation. Fritz Single arbeitet tagsüber im Steinbruch-Schotterwerk in Untermünkheim-Wittighausen. „Seit 36 Jahren schaffe ich dort“, so der 62-Jährige.

Freizeit kennt er kaum. Er geht nach Feierabend und am Wochenende seiner Frau bei den Kürbissen zur Hand oder sieht nach seinen Obst- und Blumenwiesen. „Wir bieten auch Blühmischungen für Bienen und Hummeln an und werden dabei von der EU unterstützt“, erklärt er. Einmal im Jahr gönnt er sich mit seiner Frau einen Urlaub an der Nordsee. „In dieser Zeit gießen Freunde und Nachbarn fleißig unsere Kürbisse, damit die kräftig wachsen“, sagt seine Frau lachend. Jetzt im Herbst steht dann die Ernte und der Verkauf der Speise-, Zier- und Halloweenkürbisse an. Lieselotte Single putzt einen Kürbis und drapiert diesen liebevoll auf dem Leiterwagen. „Ich putze jeden Kürbis – das sieht erstens schöner aus und steigert außerdem die Verkaufschancen“, sagt sie.

Standortvorteil

Seit acht Jahren finden die Kürbisse ihre Abnehmer. Angefangen hat es mit der Vorliebe von Lieselotte Single für das Dekorieren.

„Ich habe einige Kürbisse am Gartenzaun hübsch drapiert und wurde dabei von zwei Frauen angesprochen“, berichtet sie. Die beiden Damen wollten wissen, ob sie die schönen Kürbisse auch verkaufen würde. Ein Schlüsselerlebnis. Die Singles profitieren von ihrem Standortvorteil direkt neben dem Hotel-Restaurant Sonneck. „50 Prozent unserer Kunden sind Hotelgäste aus dem Sonneck“, gibt Fritz Single zu. Manche Kürbisse hätten so ihren Weg schon nach Großbritannien, Belgien oder in den Elsass gefunden.

Zu den Kunden würden auch Kirchen, Schulen und Kindergärten zählen. „Die Kinder aus der Nachbarschaft freuen sich immer auf Halloween und ausgehöhlte Kürbisgesichter“, weiß er. Bei Genießern beliebt sei dagegen der „sweet dumpling“. „Wir machen die Erfahrung, dass der Trend weg von großen hin zu kleinen Kürbissen geht“, erklärt Lieselotte Single. In der eigenen Küche experimentiert sie mit fast allen Sorten. Sie füllt die Kürbisse wahlweise mit Hackfleisch oder Gemüse. Auch Kürbispizza macht sie gerne. „Die schmeckt auch meinem Enkel aus Blaufelden“, sagt sie lachend. Ende Oktober geht bei den Singles das Kürbisjahr zu Ende. Bis dahin landen noch einige Bischofsmützen im Einkaufskörble von Kürbisliebhabern und parallel ein paar „Haller Heller“ im Münzkässle der Singles.

Weitere Informationen

Brauchtum
Bei Kindern sind „pumpkins“ (engl.: Kürbis) in der Halloween-Nacht unverzichtbar. Vor dem Hochfest Allerheiligen vom 31. Oktober auf den 1. November „bewaffnen“ sich die Kleinen mit ausgehöhlten Kürbisgesichtern und klopfen in der Nachbarschaft an jede Tür, um Süßigkeiten zu erbetteln. Eigentlich stammt der Halloween-Brauch aus Irland. Einst erinnerte man damit an den unheiligen Trunkenbold Jack o'Lantern, der zwar nicht in die Hölle, aber auch nicht in den Himmel kann. Sein Schicksal: rastloses Wandern bei Nacht zwischen Höllenschlund und Himmelstor mit einer ausgehöhlten Rübe unter dem Arm. So machte man sich im irischen Volksmund an Allerheiligen in der Kneipe mit einem Augenzwinkern über den Tod lustig. Viele Iren verließen einst ihre alte Heimat, um in Amerika ihr Glück zu finden. Der Halloween-Brauch entwickelte sich in Amerika im Laufe der Zeit immer mehr zum heutigen Gruselfest.

Sportgerät
Während Hobby- wie Profiköche dem Kürbis neue Küchenkreationen abgewinnen können, geht man mit diesem Gemüse beim „Pumpkin chunking“ (dt.: Kürbisweitwurf) rabiater um. Mit Hilfe von mechanischen Katapult-Konstruktionen soll der Kürbis möglichst weit fort geschleudert werden. Jedes Jahr findet in Millsboro im US-Bundesstaat Delaware die Weltmeisterschaft im Kürbis-Werfen statt. Das europäische Pendant zum amerikanischen Kürbisweitwurf bildet die Europameisterschaft im Kürbiswerfen in Bikschote (Belgien).

Inspirationsquelle
Auch in der Comic- und Musikwelt ist der Kürbis ein beliebtes Thema. Die Gefolgsmannschaft des schottischen Burgherren Duggy McDuckley – einem Vorfahren von Dagobert Duck – spielte in einer Ausgabe von Walt Disney's Lustige Taschenbücher (Band 82) das erste Fußballspiel aus. Als Spielgerät auf dem Fußballfeld im schottischen Hochmoor dienten Kürbisse. Auch Rockbands erliegen dem magischen Zauber der gelb- und orangefarbenen „Rübengeister“. Dies manifestiert sich in Bandnamen wie „Smashing Pumpkins“ (legendäre US-amerikanische Alternative-Rock-Band) oder „Helloween“ (deutsches Heavy-Metal-Urgestein).

Text: Andreas Scholz
Fotos: Bildagentur Zoonar (Manfred2000, Sandra Cunningham, Brebca, Judith_Dzierzawa)